Der Strukturwandel und die Folgen der Energiekrise stehen im Fokus des 26. Automotive Forums Zwickau. Mehr als 200 Teilnehmer aus der Automobil- und Zulieferbranche sowie der Wissenschaft diskutieren bei der Tagung am 5. und 6. Oktober 2022. Aufgrund der aktuell sehr ernsten wirtschaftlichen Lage für die Automobil- und Zulieferindustrie wurde kurzfristig ein neues Leitthema gesetzt: „Branchenkiller Energiekrise?!“
Bisher setzte der von der EU beschlossene Ausstieg für Verbrennungsmotoren in Neuwagen ab 2035 die Autobauer unter einen enormen Anpassungsdruck. Die Automobilbranche und die mittelständischen Automobilzulieferer stehen damit vor einem Strukturwandel und einer Transformation, die große Auswirkungen haben werden, denn in Südwestsachsen hängen 60.000 – 80.000 Arbeitsplätze unmittelbar oder mittelbar an der Automobilindustrie.
Viele namhafte Wissenschaftler und Brancheninsider wie Prof. Dr. sc. tech. Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie haben sich inzwischen gegen das politisch gewollte Ende für Verbrenner ausgesprochen. Er sagt:„Im Zuge der Anstrengungen von EU-Kommission und EU-Parlament zum Verbot der Technologie des Verbrennungsmotors wird auf wirtschaftliche Konsequenzen, weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen, soziale Ungerechtigkeiten und vor allem nachteilige Umweltschutzauswirkungen hingewiesen.“ Optimale CO 2- Einsparung und bestmöglichen Umweltschutz werde es nur in einem mittel- und langfristigen Verbund aus batterieelektrischen Antrieben im Schulterschluss mit CO 2 -neutralen Kraftstoffen geben.
Auch unter Energie- und Klimaschutzaspekten ist es sinnvoll, auf verschiedene Antriebsmöglichkeiten zu setzen. Dabei wird synthetischer Öko-Sprit in Form von eFuels und biobasiertem HVO100 Dieselkraftstoff an Bedeutung gewinnen. Dr. Oliver Manicke, Leiter Energiesystem und Bordnetze bei SKODA AUTO a.s., blickt voraus: „Die Zukunft des Automobils ist CO 2 -neutral, von der Fertigung über die Nutzung bis hin zum Recyling. Und das Elektrofahrzeug bleibt ein wichtiger Bestandteil unseres zukünftigen Energiesystems.“
Zusätzlich zum Strukturwandel leidet die Branche immer noch unter den Folgen der Corona-Pandemie und seit Februar 2022 unter den Konsequenzen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Begriffe wie Inflation und Rezession bestimmen derzeit die Wirtschaftsberichte. Die aktuelle Energiekrise brachte exorbitante Preissteigerungen und eine drohende Notfallstufe in der Gasversorgung. Der von der Bundesregierung am 29. September 2022 beschlossene Wegfall der Gasumlage und die Deckelung der Energie- und Gaspreise müssen erst noch umgesetzt werden. Auf Dauer ist die derzeitige Kostenentwicklung bei Energie, Gas, Kraft- und Rohstoffen vom deutschen Mittelstand nicht zu stemmen.
Max Jankowsky, Geschäftsführer Gießerei Lößnitz GmbH, sagt: „Die deutsche Industrie steht vor ihrer größten Zerreißprobe. Nie zuvor wurde die Zukunft der energieintensiven Mittelständler so in Frage gestellt. Es ist jetzt keine Zeit mehr für Parteipolitik, wir brauchen eine Politik für unser Land, eine ineinandergreifende Politik, die uns energieintensiven Mittelständlern eine Perspektive gibt. Eine Perspektive mit einem planbaren und transparenten Energiemarkt, eine Perspektive mit einer Bundesregierung, die die Basis versteht, die UNS versteht.“
Die schwierige Wirtschaftslage macht auch ein Meinungsbild der Mitglieder des Netzwerkes Automobilzulieferer Sachsen deutlich. Dirk Vogel, Netzwerkmanager AMZ (Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen), fasst die Ergebnisse der Umfrage zusammen: „Die Situation der Automobilindustrie ist verheerend. Lieferanten brechen weg, Energiekosten sind nicht mehr zu bezahlen und das bei nochmaligem Absatzrückgang zum Corona-Vorjahr. Das bedeutet: Für über 50% der Unternehmen ist die Situation aktuell existenzgefährdend. Das Problem ist, dass der Produktionsstillstand einiger Unternehmen zum Erliegen der gesamten Produktionskette führt, auch der Zulieferer, die heute noch überleben.“
Am gestrigen Galaabend des 26. Automotive Forum Zwickau wurde darüber hinaus zum zweiten Mal der August-Horch-Ehrenpreis verliehen. Mit dem Preis, der von der IHK Chemnitz, dem AMZ - Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen, der DRH Vermögensverwaltung GmbH und dem August Horch Museum Zwickau GmbH ausgelobt wird, werden Persönlichkeiten, die sich besondere Verdienste um die Entwicklung der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer in Sachsen erworben haben, geehrt.
In diesem Jahr wird der Preis gleich zweimal vergeben – an Prof. Dr. habil. Peter Kirchberg und Ronald Gerschewski.