Paul Eberhard Kreisel gehört zu den bedeutenden Domkantoren, Organisten und Komponisten Zwickaus. Über 40 Jahre wirkte der Kirchenmusiker am Dom St. Marien und führte dort viele kirchenmusikalische Traditionen weiter. Seine Domchorkonzerte zählen zu den besonderen kulturellen Ereignissen der Robert-Schumann-Stadt, gerade weil sie nicht nur berühmte Standardwerke, wie Passionen, Oratorien, Messen und Requien interpretieren, sondern manch Unbekanntes, Neues, wenig Aufgeführtes vor dem Vergessen bewahren, wie beispielsweise die geistlichen Chorwerke Robert Schumanns. Darüber hinaus nahmen unzählige Kinderchorkantaten, Choralbearbeitungen, Kantaten, Sonaten, Kammer- und Passionsmusiken, Motetten, Oratorien, Requien und Messen aus der eigenen Kompositionswerkstatt einen festen Platz in der reichen Musikpflege des Doms ein.
Die musikalische Begabung wurde dem vielseitigen Musiker wohl schon in die Wiege gelegt. Der fünfjährige Dorfbub aus Vielau spielte bereits Akkordeon, was ihm dann als Abc-Schütze sofort einen Platz in der vordersten Schulbank einbrachte. "Eine neue Welt öffnete sich mir, als ich mit 12 Jahren die Musik von Bach entdeckte", entsinnt er sich. Sein Lebensweg, ein wenig steinig bisweilen, führte ihn über den Hilfsarbeiter zur vierjährigen Ausbildung an die 1948 in Zwickau eröffnete Robert-Schumann-Akademie, wo er Violine, Klavier und Dirigieren studierte. Von 1952 an folgte eine strenge und gründliche Ausbildung an der Leipziger Musikhochschule, vor allem in Kompositionslehre bei Ottmar Gerster, dessen Meisterschüler er wurde und im Kontrapunkt bei Arnold Matz. Bereits zuvor hatte der Student sein erstes Werk der Musica sacra, eine Passionsmusik, komponiert. Nach dem Staatsexamen folgten Jahre des Verarbeitens vielfältiger Eindrücke, des Suchens und Experimentierens. Die Anstellung als Geigenlehrer an Musikschulen in Aue und Glauchau brachte dem seit 1950 mit einer Zwickauer Pianistin Verheirateten nicht die ersehnte Erfüllung doch nebenberuflich fand er als Kantor an der Kirchberger Kirche St. Maragareten das anregende Arbeitsfeld, was ihn allerdings damals die Missbilligung seiner staatlichen Vorgesetzten einbrachte.
Domkantor an St. Marien in Zwickau
1962 bewarb sich der junge Musiklehrer um das Amt des Domkantors an St. Marien und wurde in Nachfolge des Nestors der Kirchenmusik, Johannes Schanze, berufen - zu enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Domorganisten Günter Metz - und fand so das ersehnte Umfeld für die eigene kirchenmusikalische Tätigkeit. Eine Weihnachtsgeschichte für Soli, Chor und Instrumente, eine "Geistliche Chormusik", vielerlei gottesdienstliche "Gebrauchsmusik" für die eigenen Chöre, das Oratorium "Daniel", "Missa brevis", die Messe Nr. 4 (Deutsche Messe), das 1973 vollendete Requiem und vieles andere waren gelungen Versuche des jungen Domkantors, die ewigen Glaubenswahrheiten dem Menschen von heute in der ihm verständlichen Sprache nahezubringen. Sein erfolgreichstes Werk, das im In- und Ausland über 30mal aufgeführt wurde und viel Anerkennung fand, ist die "Geschischte von Jona und der schönen Stadt Ninive" (1976), ein vergnüglich-nachdenkliches Kammeroratorium mit hintergründigem Witz. Wenn der Domkantor jahrzehntelang viele Konzerteinladungen aufgrund der politischen Verhältnisse im Land nicht wahrnehmen durfte, so öffnete ihm endlich die Festmusik "Da pacem" über Glockentöne und Sprüche des Baseler Münsters und des Zwickauer Doms, die 1985 in Basel uraufgeführt wurde, das "Tor zur Welt". Die Erstaufführung in der Heimatstadt erfolgte drei Jahre später.
Paul Eberhard Kreisel verstarb am 11. November 2011 im Alter von 80 Jahren.