Lothar Streit übernahm 1860 das Amt des Bürgermeisters der Stadt Zwickau und ab 1874 das des Oberbürgermeisters.
Lothar Ottokar Wilhelm Streit wurde am 6. Februar 1823 in Gera als Sohn eines Gerichtsarztes geboren. Er besuchte das Gymnasium in Altenburg und studierte an der Universität Leipzig Rechtswissenschaft. Unter anderem war er nach seinem Studium bei dem Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung Rechtsanwalt Schaffrath in Neustadt angestellt. Im Revolutionsjahr 1849 wurde Lothar Streit zum Bürgermeister von Auerbach i. V. gewählt. Gleichzeitig übernahm er den Vorsitz des Vaterlandsvereins der Stadt. In diesen Vereinen sammelten sich vorwiegend die radikal demokratischen Kräfte. Streit gehörte im Verein zum gemäßigten Flügel. Er befürwortete die vom Frankfurter Parlament verabschiedete demokratische Reichsverfassung. Dem Dresdner Maiaufstand versagte er nicht seine moralische Unterstützung, aber die Auerbacher mahnte er zur Besonnenheit in ihrem Bestreben mit bewaffneten Kräften Dresden zu unterstützen. Seinem Einsatz und seiner Autorität war es zu danken, dass es in der Stadt zu keinen größeren Unruhen und Ausschreitungen kam. Auerbach entsandte eine kleine Gruppe Freiwilliger zur Hilfe für die Aufständischen in Dresden. Für seine Handlungen in dieser schwierigen Situation musste sich Streit später wie viele andere auch vor Gericht verantworten. Während des langwierigen Verfahrens verlor er sein Amt als Bürgermeister und seine Zulassung als Notar. Endlich Ende September 1850 wurde er begnadigt.
In den 1850er Jahren ließ sich Lothar Streit als Advokat in Zwickau nieder. 1860 wählte man ihn hier zum Bürgermeister. Seine Verpflichtung auf das Bürgermeisteramt erfolgte am 13. September 1860 durch Amtshauptmann von Welck.
Streit übernahm diese Verantwortung in einer Zeit, in der sich die Stadt im Aufbruch befand - vom beschaulichen Biedermeier zum Industriezeitalter. Vorausschauend, umsichtig und mit der nötigen Energie galt es die Geschicke der Stadt zu lenken. Neue Entwicklungen mussten rechtzeitig erkannt und die entsprechenden Schlussfolgerungen für die Kommunalpolitik gezogen sowie konkrete Maßnahmen eingeleitet werden. Dies gelang dem Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister (ab 1874) Streit auf hervorragende Weise.
Bei seinem Amtsantritt 1860 hatte Zwickau 20.000 Einwohner und 1100 Wohnhäuser. 1898 hatte die Stadt über 50.000 Einwohner. Die Zahl der Häuser hatte sich mehr als verdoppelt. Ganze Stadtteile waren neu entstanden (Nordvorstadt, Bahnhofsvorstadt). Pölbitz war seit 1895 eingemeindet. Diese rasante Entwicklung zu steuern war Aufgabe des Bürger- bzw. Oberbürgermeisters und der städtischen Kollegien.
Unter Streits Regie entstanden neun Schulen. Die drei Wasserleitungen, die Zwickau Ende des 19. Jahrhunderts versorgten, und das Wasserwerk Wiesenburg wurden gebaut. Das Gaswerk wurde städtisch und eine neue Gasanstalt errichtet. Schlachthof, Industriebahn, Bürgerhospital entstanden. Der Hauptfriedhof an der Crimmitschauer Straße wurde geschaffen. Besonders hervorzuheben ist die elektrische Straßenbahn, die 1894 den Betrieb aufnahm. Sie war die erste "Elektrische" in Sachsen.
Sehr viel ist unter Streit zur Verschönerung und Gesundmachung der Stadt geschehen, so. z. B. die Beseitigung der offenen Straßengräben und die Einführung der unterirdischen Kanalisation und die Entschleusung der Stadt, ferner die Regulierung der Stadtbäche, die pneumatische Grubenräumung, die öffentliche Müllabfuhr und die Zuschüttung der Festungsgräben, aus denen die wunderschöne Grabenpromenade entstanden ist. Nicht minder auch der Anfang mit dem Bau unserer asphaltierten Straßen und so manche andere Verschönerung des Straßenbildes. (Zwickauer Wochenblatt vom 26.05.1901).
Mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts beim Ausscheiden aus dem Amt 1898 würdigte Zwickau die herausragenden Leistungen und Verdienste von Lothar Streit um die Entwicklung seiner Stadt. Die bisherige Gartenstraße erhielt seinen Namen.
Dr. Lothar Streit verstarb am 2. Juni 1898 im Alter von 75 Jahren. Mit einer imposanten Trauerfeier in der Marienkirche, an der viele herausragende Persönlichkeiten insbesondere auch Regierungsvertreter aus Dresden teilnahmen erwiesen ihm die Zwickauer die letzte Ehre.
Mit einem Gedenkstein am Schwanenteich setzte die Stadt Zwickau ihrem ersten Oberbürgermeister ein dauerndes Denkmal. Das am 25. Mai 1901 geweihte Lothar-Streit-Denkmal besteht aus einem auf einem Stufenunterbau ruhenden Granitwürfel mit einem Medaillonbild Streits, das vom Leipziger Bildhauer Prof. Seffner geschaffen wurde.