Die Ratsschulbibliothek informiert:
Im Jahre 1523 wurde in Zwickau durch den Augsburger Johann Schönsperger d.J. erstmals eine Druckerei gegründet. Noch im gleichen Jahr, zwischen Mai und Dezember, erschienen insgesamt 38 Werke. Eines davon ist die wohl älteste gedruckte selbständige Schulordnung Sachsens – die „Ordnung des Nawen studij“. Im Original ist diese Ordnung in der Ratsschulbibliothek Zwickau, Lessingstraße 1 vorhanden. Diese verwahrt eine ganze Vielzahl an wertvollen historischen Beständen und ist eine der ältesten öffentlich-wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes.
Die Bibliothek „hütet“ aber nicht nur ihre Schätze, sie macht diese in verschiedenen Führungen auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Pünktlich zum neuen Schuljahr gibt es wieder Sonderführungen für Schulklassen, Volkshochschulkurse und Privatpersonen zu folgenden Themen:
- Vom Papyrus zur CD-ROM. Geschichte des Schreibens und Lesens,
- Buchherstellung im Mittelalter,
- Die Stadt im Mittelalter,
- Geschichte der Musiknotation vom Mittelalter bis zur Neuzeit
- Der schwarze Tod - Die Pest, Folter und Bestrafung in der Frühen Neuzeit,
- Geschichte der Hexenverfolgung,
- Barockliteratur,
- "Faust",
- Die Bibel im Wandel der Zeiten,
- Die Reformation,
- Die Geschichte der Zeitung.
Zudem bietet die Ratsschulbibliothek für Schülerinnen und Schüler an Gymnasien und Volkshochschulen spezielle Veranstaltungen an. Im Zentrum steht dabei das Kennenlernen und Üben von Arbeitstechniken beim wissenschaftlichen Arbeiten, u.a. Quellenkunde, Recherchestrategien und Grundregeln beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten. Eine Betreuung von Zertifizierungs- und Abschlussarbeiten, die anhand von Quellen der Ratsschulbibliothek erarbeitet werden, ist möglich.
Termine und Anfragen sind unter Telefon 0375 834222 oder per E-Mail an ratsschulbibliothekzwickaude oder www.ratsschulbibliothek.de möglich.
Die Geschichte der Zwickauer Schulordnung
1522 wurde der aus Lauingen in Bayern stammende Leonhardt Natter (1495-1545) Rektor der Zwickauer Lateinschule und Nachfolger von Georgius Agricola. Schon in seinem ersten Amtsjahr erhielt er vom Zwickauer Rat den Auftrag, eine neue Schulordnung zu verfassen. In der Widmung an den Rat wird seine Vorgehensweise deutlich. Nachdem er die neue Schulordnung zunächst handschriftlich verfasst hatte, entschloss er sich, diese auch drucken zu lassen. Für Natter war es seine christliche Pflicht und Schuldigkeit, die edle Jugend in der Zeit, „in welcher andre müssig gehen“ und „aller vntugendt nachgehen/vor den augen irer eltern“, zu Bildung und Wissenserwerb anzuhalten. Er sah auch, dass die Kinder durch das übermäßige Verziehen und Verzärteln „unverständiger“ Eltern stetig unerzogener wurden.
In verschiedenen Kapiteln machte er Vorschläge für die Organisation und den Betrieb einer „modernen“ Schule. Vieles davon wirkt auch 500 Jahre später immer noch aktueller denn je. Natter forderte erfahrene und gut ausgebildete Lehrer mit pädagogischem Geschick. Diese sollten für mindestens zwölf Jahre angestellt werden, da ständiger Lehrerwechsel „hundertfachen“ Schaden anrichte und zu ständigem Streit zwischen Lehrern und Eltern führen würde. Die Schulmeister sollten angemessen bezahlt werden, fleißige Schüler fordern, schwächere Schüler fördern und die böswilligen Schüler von der Schule verweisen. Ein entscheidender Aspekt für ihn ist die moderne und zeitgemäße Ausstattung der Schule mit „ordentlichem“ Gestühl und Lehrmitteln. Die gesamte Schülerschaft und die Lehrer sollten täglich gemeinsam zwei Mahlzeiten (9 und 16 Uhr) einnehmen – eine frühe Form der Schulspeisung. Die Schüler wurden in sechs Klassen zu jeweils sieben Gruppen eingeteilt. Unterrichtet wurde von 6 bis 9 Uhr und 12 bis 14 Uhr. Lediglich am Mittwoch war nachmittags „frei“, d.h. es war Zeit für „baden/ waschen/ oder mit andern erlichen spiln sich zu belustigen/ alß lauffen/ ringen/ springen/ vnd fechten“. Danach versammelte man sich zu einer lateinischen Disputation.
Die Zwickauer Schulordnung ist ein beredtes Zeugnis humanistischer Einflüsse auf dem Gebiet der städtischen Bildung und ein frühes Ergebnis der reformatorischen Umstrukturierung und Neuausrichtung des Schulwesens durch Luther und vor allem durch Melanchthon. Sie ist ein wichtiger Meilenstein bei der qualitativen und quantitativen „Reformation“ der Gelehrtenbildung in Sachsen und Deutschland.