Gemeinsame Medieninformation der Städte Chemnitz und Zwickau:
Anlässlich der heutigen Vorstellung der Konzeptions- und Machbarkeitsstudie zum NSU-Dokumentationszentrum erklären der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze und die Zwickauer Oberbürgermeisterin Constance Arndt:
Wir danken insbesondere Staatsministerin Katja Meier, dass sie uns bereits vorab über wesentliche Inhalte der Studie informierte und diese mit uns diskutierte. Wir begrüßen, dass der Aufarbeitung des NSU-Komplexes und dem Gedenken an die Opfer weiterhin eine große Bedeutung beigemessen wird. Ebenso unterstützen wir ihre Auffassung, dass sich nach Vorliegen der Studie nun ein Diskussionsprozess zur weiteren Ausgestaltung des Gedenkens und der Aufarbeitung anschließen soll.
Die Städte Chemnitz und Zwickau haben sich bisher schon der Tatsache gestellt, dass hier die Terroristen des NSU gewohnt haben, sie Unterstützerinnen und Unterstützer in den Städten, der Region und darüber hinaus hatten. So wurde in Zwickau beispielsweise der Gedenkort geschaffen, wo zehn Bäume an die Mordopfer des NSU erinnern, frühzeitig wurden die Novembertage etabliert und zuletzt wurde an vier Dialogabenden diskutiert, wie die Aufarbeitung und das Gedenken erfolgen solle. Chemnitz unterstützt seit 2008 mit kommunalen Haushaltsmitteln Initiativen, die sich mit menschenverachtenden Ideologien und antidemokratischen Bewegungen auseinandersetzen. Die Aufarbeitung und Reflexion zum Thema NSU wird in Chemnitz seit 2011 aktiv geführt. Seitdem wurden im Themenbereich elf Initiativen finanziell gefördert.
Die nun vorliegende Studie bildet eine wichtige Grundlage für die weiter auszugestaltende Gedenk- und Demokratiearbeit. Zu beachten sind aus Sicht der beiden Städte insbesondere folgende Aspekte:
1. In Auswertung der Studie und in der weiteren Arbeit sind weitere zivilgesellschaftliche Akteure und insbesondere die Stadtgesellschaften einzubeziehen. Vorhandenes Wissen und Erfahrungen sowie existierende Projekte und Veranstaltungsformate sind mehr als in der bisherigen Bearbeitung zu nutzen. So wird gewährleistet, dass ein etwaiges Zentrum nicht losgelöst von der demokratischen Basis und den vor Ort Engagierten entsteht.
2. Zu prüfen ist, in welchem Umfang in Gebäude und Personal investiert wird. Gerade angesichts der Haushaltssituation im Freistaat Sachsen und in den Kommunen sollte das Hauptaugenmerk auf der politischen und der Demokratiebildung liegen. Diese sollte flächendeckend, für Menschen allen Alters angeboten und sowohl dauerhaft als auch verstärkt etabliert werden. Diese intensivierte Bildungsarbeit leistet einen wichtigen Beitrag, um politischem Extremismus zu begegnen und Taten, wie die des NSU, zu verhindern. Auch eine staatlich gesicherte Schul- und Straßensozialarbeit verdienen dementsprechend eine höhere Aufmerksamkeit.
3. Das Thema NSU sollte – entsprechend aufbereitet – verstärkt Eingang in die Lehrpläne finden. Dadurch wird gesichert, dass alle jungen Menschen über die schrecklichen Taten des NSU und das dahinterstehende Netzwerk informiert sind und sich damit auseinandersetzen. Inwiefern die Vermittlung durch die Lehrerinnen und Lehrer geleistet wird oder durch Expertinnen und Experten, die zentral verortet sind, ist zu prüfen.
4. Es bedarf stärkerer Bemühungen der staatlichen Behörden im Freistaat und Bund, um das Geschehene aufzuklären. Zu Recht weist die Studie auf mögliche Verwicklungen hin. Es ist fraglich, ob diese Aufgabe durch eine von einer Stiftung getragenen Institution geleistet werden kann.
5. Inwiefern die vorgeschlagene Struktur, deren Basis eine Stiftung darstellt, tatsächlich geeignet und insbesondere realisierbar ist, ist näher zu analysieren und zwischen den vorgeschlagenen Hauptakteuren kurzfristig zu klären, um etwaige falsche Weichenstellungen auszuschließen. Vor allem bedarf es – unabhängig von der Organisationsform – des dauerhaften Bekenntnisses von Freistaat und Bund, sich in der Aufarbeitung und der Erinnerungskultur zu engagieren.
Als Oberbürgermeisterin und Oberbürgermeister stehen wir mit unseren Stadtverwaltungen für den nun zu beginnenden Diskussionsprozess gerne und mit Überzeugung zur Verfügung!
Wir erwarten allerdings einen tatsächlich offenen, von gegenseitigem Respekt getragenen, transparenten und zielgerichteten Dialog. Die Aufarbeitung der Verbrechendes NSU sollte dabei nicht ausschließlich auf Chemnitz und Zwickau bezogen sein, sondern muss andere Kreise und Regionen sowie Behörden und Institutionen ebenso im Blick behalten. Ausgangspunkt ist dabei das würdevolle Gedenken an alle Opfer der Terroristen, insbesondere an: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter.