Das Kulturamt informiert:
Im Rahmen des Gedenkens an das Wirken des Reformators Thomas Müntzer in Zwickau vor 500 Jahren – 2020 jährte sich zum 500. Mal Thomas Müntzers Ankunft in Zwickau – finden am 15. und 16. Oktober zwei Fachvorträge statt. Prof. Johannes Schilling und Prof. Ulrich Bubenheimer sprechen als Müntzerexperten und international geschätzte Reformationshistoriker über Müntzers Gottesdienstreform für den „gemeinen Mann“ und über neue Erkenntnisse zu Müntzers Handschrift.
Freitag, 15. Oktober 2021, 17 Uhr
"Allen auserwählten Gottesfreunden" – Thomas Müntzers Erneuerung des Gottesdienstes für den gemeinen Mann
Katharinenkirche Zwickau, Katharinenstraße
Thomas Müntzer gehört zu den bedeutendsten Reformern in der Geschichte des christlichen Gottesdienstes. Mit seinem "Deutschen Kirchenamt" schuf er 1523 - eine Großtat - eine erneuerte Liturgie. Deutschsprachig sollte der Gottesdienst nunmehr sein, und die Gemeinde beteiligt – also ein Gottesdienst für den "gemeinen Mann".
Der Vortrag geht Entstehung, Gestalt und Wirkung von Müntzers Gottesdienstreform nach und interpretiert sie im Kontext seiner Theologie.
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Johannes Schilling ist seit 1999 Präsident der Luther-Gesellschaft. Er ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und war bis 2016 Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Eintritt: 3 Euro. Für die Veranstaltung ist eine Voranmeldung unter kg.zwickau-stadtevlksde oder 03752743510 notwendig. Bitte beachten Sie die aktuell geltenden Hygieneregeln.
Samstag, 16. Oktober 2021, 17 Uhr
Thomas Müntzer: Seine Handschrift, seine Selbstinszenierung und der Beitrag seiner Mitstreiter - Neue Erkenntnisse aus der Handschriftenforschung
Priesterhäuser Zwickau, Domhof 5-8
Die präzise Untersuchung der Handschriften, die von Müntzer eigenhändig oder von anonymen Schreibern niedergeschrieben wurden, sowie einiger Handschriften seiner Mitstreiter ermöglicht eine Reihe neuer biographischer Erkenntnisse. Um die rhetorische Wirkung der geschriebenen Sprache zu erhöhen, nutzt Müntzer Elemente der graphischen Gestaltung, die in den modernen Editionen von Müntzers Texten nicht sichtbar werden.
Prof. Dr. Ulrich Bubenheimer lehrte viele Jahre in Reutlingen und Heidelberg. Er ist ein weltweit renommierter Reformationshistoriker.
Eintritt: 3 Euro, ermäßigt 2 Euro. Für die Veranstaltung ist eine Voranmeldung unter priesterhaeuserzwickaude oder 0375 834551 notwendig. Bitte beachten Sie die aktuell geltenden Hygieneregeln.
„Ihr sollt Träume haben“ – Thomas Müntzer und seine Zeit in Zwickau
Dauerausstellung in der Katharinenkirche
Bereits im vergangenen Jahr wurde anlässlich des Jubiläums eine Dauerausstellung in der Katharinenkirche, die seit 2014 das Europäische Kulturerbesiegel im Netzwerk „Stätten der Reformation“ trägt, eröffnet.
Der Ort ist dabei nicht zufällig gewählt: Im Oktober 1520 fand Thomas Müntzer an dieser Kirche seine erste feste Anstellung als Prediger, nachdem er bereits ein halbes Jahr vorher als Vertreter an der Marienkirche tätig war. Obwohl seine Dienstzeit an St. Katharinen nur ein halbes Jahr währte, begleiteten ihn die hier gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse bis zu seinem Lebensende 1525. In die Zeit in Zwickau fällt die Bekanntschaft mit dem Tuchmacher Nikolaus Storch und seinen Anhängern, aber auch das Kennenlernen sakramentskritischer Zirkel; hier verdichtet sich Müntzers apokalyptisch durchtränkte Sozialkritik, die ihm den Weg in die Radikalität bahnen sollte.
Müntzers Zwickauer Aufenthalt fällt in die frühen Jahre der Reformation, in der noch vieles in Bewegung war. Zunächst freudig und auf Empfehlung Martin Luthers vom reformatorisch wohlgesinnten Stadtrat aufgenommen, musste Müntzer Zwickau Ende April 1521 verlassen, nachdem er bereits zu dieser Zeit wesentliche Grenzen der lutherischen Reformation bemerkt und angeprangert hatte. Die rege Zwickauer Laienbewegung, die sich hauptsächlich in der Katharinenkirche traf, hatte ihm gezeigt, dass die christliche Botschaft unabhängig von Stand und Bildung den Menschen in der Tiefe erreichen kann. Träume und innere Offenbarungen begannen für Müntzer eine immer wichtigere Rolle zu spielen, ebenso wie die Überzeugung, dass wahrer christlicher Glaube Konsequenzen bei der Gestaltung von Politik und Gesellschaft fordere.
Die vom Künstler Christian Siegel in Zusammenarbeit mit Picto (Hirschfeld) gestaltete Ausstellung ist in drei Themenbereiche aufgeteilt: 1. Die Katharinenkirche als historischer Ort zu Müntzers Zeiten 2. Der Traum von göttlicher Ordnung in der Welt und 3. Geschichte einer Verleumdung: Die Müntzer-Storch-Legende. Der erste Themenbereich verdeutlicht die Katharinenkirche als entscheidende Erfahrungswelt für Müntzers weiteren Lebenslauf. Einen virtuellen Einblick in diese bewegte Zeit verschaffen zwei Zinndioramen, die der Modellbauer Joachim Böttcher ausschließlich für diese Ausstellung gebaut hat. Eines der Modelle lässt auf das Innere der Katharinenkirche blicken, in der Thomas Müntzer seine berüchtigte Weihnachtspredigt vom 26. Dezember 1520 hält. Für die Szene des kleineren Modells hat sich der Modellbauer vom historischen Roman Otto Riedels Der Bildschnitzer von Zwickau inspirieren lassen und das Auftreten predigender Frauen dargestellt. Der zweite Themenbereich versammelt in Form von Text und Bild Traum- und Reformvorstellungen zu Müntzers Zeiten und sorgt damit für einen gesamtinhaltlichen Hintergrund. Eine thematische Neuerung stellt der dritte Themenbereich dar: Erstmals widmet sich eine Ausstellung der Müntzer-Storch-Legende, die in Ansätzen ebenfalls in Zwickau ihre Ursprünge hatte und dazu diente, Thomas Müntzer und Nikolaus Storch zu verunglimpfen: Thomas Müntzer als teufelsbesessener Aufrührer und Nikolaus Storch als Gründer des verhassten Täufertums. In diese Formen gegossen, war ein objektives Gedächtnis an diese Vertreter der Frühreformation für Jahrhunderte nicht möglich.
Thomas Müntzer und die Katharinenkirche treten damit vereint vor die Öffentlichkeit und verdeutlichen das historisch einmalige Erbe, das das Gotteshaus zur Stätte der Reformation und Trägerin des Europäischen Kulturerbesiegels macht. An kaum einen anderen Ort sind die wechselvollen Anfangsjahre der Reformation in dieser Dichte erlebbar, wie hier in der Zwickauer Katharinenkirche.