Das Kulturamt informiert:
Das Stadtarchiv Zwickau ist um einen wertvollen Schatz reicher: Es handelt sich um den Nachlass von Arno Seidel, Mitbegründer und 1. Vorsitzenden der Siedlergenossenschaft Zwickau-Nord.
1920 stellte Arno Seidel in der „Neuen Welt“ den vorwiegend aus Pölbitz stammenden Arbeitern ein Vorhaben zum Bau von Wohnhäusern in Eigenleistung vor, angeregt durch eine ähnlich geartete Initiative in Werdau. Grund dafür war die große Wohnungsnot in Folge des 1. Weltkrieges. Das war die Geburtsstunde der ersten Siedlergesellschaft in Zwickau, zu deren 1. Vorsitzenden Arno Seidel gewählt wurde. Rasch waren 80 Interessenten gefunden und auch verschiedene Grundstücke auf Erbpachtbasis im Blickfeld. Allerdings befanden sich diese Grundstücke auf Weißenborner Flur und der Gemeinderat von Weißenborn stand dem Vorhaben ablehnend gegenüber. Nach zähen Verhandlungen und erst nach der Eingemeindung Weißenborns nach Zwickau 1923 war der Weg frei zur Übertragung der Grundstücke und Entschädigung der Eigentümer, was zu Zeiten der Inflation ein großes Hindernis darstellte. Allein die Umzäunung des betreffenden Geländes verschlang Unsummen, die jedoch durch Darlehen umliegender Betriebe, wie den Horch- oder den Schumann-Werken, finanziert wurden. Zunächst sollten Gartengrundstücke entstehen, die später mit Wohnhäusern bebaut werden sollten. Für den notwendigen Bau eines Hauses waren Anteile von 500 RM einzuzahlen, die in monatlichen Raten von 10 RM beglichen werden konnten. Unterstützt wurde das Projekt ab 1925 von Simon Schocken, welcher der Genossenschaft anbot, Doppelhäuser nach seinen Bauplänen errichten zu lassen. Auch dabei sollte die Selbsthilfe im Vordergrund stehen. Schocken stellte 16.000 RM als Betriebskapital zur Verfügung, damit die Genossenschaft Zuschüsse vom Stadtrat bekam. Das erste Musterhaus entstand daraufhin am Lilienweg 1-3, weitere 11 Doppelhäuser folgten. Nachdem 1926 der Zwickauer Stadtrat forderte, billiger zu bauen, konzentrierte sich die Siedlergesellschaft auf größere Häuser, die allerdings keine „Schocken-Häuser“ mehr waren. Zu Ehren Simon Schockens setzte man ihm 1932 ein Denkmal, welches Arno Seidel enthüllte. Bis heute stehen die „Schocken-Häuser“ unter Denkmalschutz und lassen sich sehr hübsch ansehen.
Arno Seidel hat viele persönliche Aufzeichnungen, Schrift- und Bilddokumente aus der Zeit zwischen 1920 und 1934, darunter Zeichnungen und Originalfotos vom Baugeschehen, hinterlassen, die seine Tochter Ruth über Jahrzehnte hinweg mit ganz viel Stolz aufbewahrte. Nun hat sich die hochbetagte, aber bei bester Gesundheit befindliche Dame dazu entschlossen, die Unterlagen ihres Vaters in die Hände des Stadtarchivs zu geben – ein Schritt, der ihr nicht leicht fiel. Die Unterlagen werden hier archivfachlich bearbeitet und stehen danach der Öffentlichkeit zur Verfügung.