Das Dezernat Bauen informiert:
Was war 2020 los in Marienthal?
Seit drei Jahren geht es der Stadt Zwickau im Projekt „Zwickauer Energiewende demonstrieren“ (ZED) gemeinsam mit zwölf Projektpartnern (u. a. mit der GGZ, der ZEV, der WHZ) darum, wie in Marienthal die Energiewende sowie veränderte Anforderungen an Umwelt- und Klimaschutz praktisch umgesetzt werden können. Als eines von nur sechs bundesweiten Leuchtturmprojekten erforscht das Projekt ZED zukunftsfähige Technologien im Bereich Energieversorgung und Mobilität und entwickelt daraus alltagspraktische Maßnahmen.
Das Jahr 2020 markierte für das Projekt gewissermaßen einen vorläufigen Höhepunkt. Zum einen erreichte das Projekt die Endphase der Analyse- und Konzeptionsarbeit für die angedachte technische Lösung, zum anderen wurde die Präsenz des Projektes im Quartier durch verschiedene Bewohnerbefragungen sowie die Eröffnung der Mobilstation am Eschenweg nochmals erhöht.
Neue Ideen für Energieerzeugung /-speicherung und -verteilung
Den Kern der Projektidee bildet eine Energiezentrale für etwa 800 Haushalte als „Spinne im Netz“. In ihr wird die Wärme nicht nur erzeugt, z. B. durch Wärmepumpen und Solarthermie, sondern auch gespeichert. Statt wie üblicherweise permanent im Kreis gepumpt zu werden, wird die Wärme in kleinen Einheiten - als „Wärme-Pakete“ - versendet. Ob Nachschub von der Zentrale benötigt wird, entscheiden kleinere, intelligente Speicher in den einzelnen Wohnblocks. Wenn die Bewohner also einen höheren Heizbedarf haben, wird die Wärme von der Energiezentrale automatisch – ähnlich einem Paketdienst – direkt ins Haus bestellt. Dadurch werden Verteilungsverluste – und damit Kosten und Energieverbrauch – minimiert. Sollte der Nachschub durch die Sonne punktuell ausbleiben, sorgt der Speicher dafür, dass die Versorgungssicherheit mit regenerativer, grüner Energie gewährleistet ist.
Damit die vorgeschlagenen Lösungen auch nach Marienthal passen, wurden Bewohner, Vereine und lokale Initiativen nach ihren Bedürfnissen und Ansichten befragt. Ihre Hinweise und Anregungen wurden in die Konzeption der Lösungen einbezogen. Zudem entstand ein Filmtrailer, der die Kernidee und Ziele des Projektes beleuchtet. Der Film sowie Berichte über die vergangenen Projektaktivitäten können auf www.energiewende-zwickau.de angesehen werden.
Im kommenden Jahr entscheidet die Evaluation der vorgeschlagenen Lösungen und des Gesamtkonzeptes durch die fördernden Ministerien BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) und BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), ob eine Umsetzung der Vorschläge unter den Bedingungen der Förderausschreibung erfolgen kann. Die pandemiebedingt verschobenen diesjährigen ZED-Foren sollen im nächsten Jahr nachgeholt werden. Der Start soll im 1. Halbjahr 2021 mit dem Forum zu den Details der technischen Lösungen und zu den mit den Befragungen eingeholten Meinungen und Ideen der Bewohner gemacht werden. Schon heute möchte das Projekt jedoch einige Kernbotschaften der Befragungen präsentieren:
Ergebnisse der beiden Umfragen in Marienthal
Anfang 2020, also noch vor dem ersten Lockdown, wurden persönliche Befragungen in 108 Haushalten durchgeführt. Im Sommer folgte eine schriftlich-postalische Umfrage, an der sich weitere 740 Haushalte beteiligten. Die außerordentlich hohe Resonanz in beiden Befragungen zeigt, dass hier bei den Marienthalern ein Nerv getroffen wurde: Die persönliche Wohnsituation, die jedes Jahr mehr von den Aspekten Energie und Klima abhängt, bewegt die Menschen in Marienthal.
Zufriedenheit mit der Wohnsituation in Zeiten des Klimawandels
Aus beiden Befragungswellen geht hervor, dass die meisten Teilnehmer schon lange in Marienthal wohnen; sie sind sehr zufrieden mit ihrer Wohnsituation, vor allem mit den Wohnungen selbst, mit der relativ guten Anbindung durch Busse und Bahnen, mit den reichlich vorhandenen Grün- und Freiraumflächen und sie identifizieren sich mit ihrem Quartier: „Wir sind Marienthaler!“
Mit der Energiewende im Allgemeinen beschäftigen sich viele der Befragten kaum. Die konkreten Aspekte Energiekosten, Wärmedämmung oder der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien sind dagegen für mindestens 70 bis 90 % der Befragten wichtig oder sogar sehr wichtig; und 87 % möchten z. B., dass Photovoltaik-Dachflächenanlagen in Marienthal verstärkt genutzt werden. Hintergrund dieser hohen Werte ist offenbar die Sorge, dass Zwickau künftig noch stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen sein könnte. Fast neun von zehn Befragten (86 %) halten den Klimawandel für ein ernstes Problem und sie fänden es wichtig, möglichst bald etwas dagegen zu tun. Andernfalls – so 70 % der Befragten – drohe der Stadt, dass sie künftig verstärkt von Hitzewellen betroffen sein wird und Bewohner wie die Natur mehr unter der Trockenheit zu leiden haben werden.
Sommer in Marienthal – Freude oder Belastung?
Schon heute fühlen sich einige Marienthaler im Sommer nicht mehr durchgängig wohl in ihren vier Wänden: 7 % der Befragten meinten, ihnen sei sehr oft unangenehm heiß in der eigenen Wohnung und weitere 22 % empfinden dies sogar „öfter“ so. Dies hängt mit eigenen Temperaturvorlieben und dem Alter der Befragten zusammen, aber auch mit individuellen Strategien, sich an die Hitze anzupassen oder mit der Ausstattung ihrer Wohnungen bzw. Häuser. So hat ein Mehr an Ausstattung gegen Hitze wie Außenverschattung, Markisen oder ein eigener Garten einen positiven Effekt auf die Hitzebelastung. Mietern ist signifikant häufiger unangenehm heiß in ihren Wohnungen als den Bewohnern selbstgenutzten Wohneigentums, was aber auch mit der meist besseren Ausstattung von Eigentumswohnungen bzw. eigenen Häusern zusammenhängt. Ebenso scheint es Personen, die generell lieber heiße Temperaturen mögen, auch seltener unangenehm heiß in ihren Wohnungen zu werden als Personen, die kältere Temperaturen bevorzugen. Umgekehrt ist aber jüngeren häufiger unangenehm heiß als älteren Befragten. Dieser Befund ist umso erstaunlicher, als Ältere tatsächlich zu den hitzeempfindlichen Personen zählen und überproportional häufig in den Statistiken unter den Hitzeopfern zu finden sind. Offenbar erleben sie sich selbst aber nicht als hitzeempfindlich. Im Sinne einer besseren Hitzevorsorge weist die Befragung daher auf die Dringlichkeit einer besseren Sensibilisierung und Information gerade der älteren Bevölkerungsgruppen hin.
Winter in Marienthal – Energiesparen oder intelligent verschwenden?
Auch beim Energieverhalten zeigen sich unter den Befragten starke Unterschiede, sowohl im Energieverbrauch als auch bei ihren Heizungs- und Lüftungsgewohnheiten. Im Schnitt liegt der Energieverbrauch für die Heizung in den befragten Haushalten bei 57 kWh pro m² und Jahr, was im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt aller Gebäude von etwa 120 kWh/m² p .a. auf einen guten Sanierungszustand hinweist. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Haushalten groß: Während mehr als die Hälfte der Haushalte weniger als 50 kWh Energie für Raumwärme pro m² und Jahr verbraucht, brauchen 17 % mehr als 90 kWh/m²a. In der Spitze verbrauchen diese Haushalte bis zu 260 kWh/m²a, was dem 5-fachen des Durchschnittsverbrauchs entspricht. Diese Unterschiede lassen sich zum Teil durch die Bauphysik und hier insbesondere die Lage der Wohnung erklären. Wohnungen in den Randlagen, insbesondere im obersten und untersten Stockwerk, müssen aufgrund ihres großen Anteils an Außenflächen (Dach, Kellerdecke) stärker beheizt werden als Wohnungen, die von anderen umgeben sind und damit von der Wärme der Nachbarn profitieren. Randlagen brauchen daher im Schnitt 45 % mehr Heizenergie als Mittellagen.
Aber auch unabhängig von der Bauphysik bleiben große Unterschiede bestehen, die insbesondere auf das Heizungs- und Lüftungsverhalten der Bewohner zurückgeführt werden können. Die Befragung zeigt, dass die meisten Haushalte im Wohnzimmer warme Temperaturen bevorzugen, während Schlafzimmer eher kühl sein sollen. Um dies zu erreichen, greifen die Bewohner auf verschiedene Strategien zurück. Trotz aller Tipps zum Sparen von Heizkosten praktiziert mehr als die Hälfte der Haushalte im Schlafzimmer Kipplüftung. Die Fenster werden nicht nur kurz, sondern oft den ganzen Tag und zum Teil auch nachts in Kippstellung gelassen – auch bei Außentemperaturen nur knapp über Null. Angrenzende Räume müssen folglich stärker beheizt werden, sollen sie nicht auskühlen.
Nicht nur im Schlafzimmer, sondern auch in anderen Zimmern praktizieren viele Bewohner das ineffektive Kipplüften, was sich auch in der Dauer des Lüftens widerspiegelt: Haushalte, die ihre Fenster ganz öffnen („Stoßlüften“), lüften im Wohnzimmer insgesamt weniger als eine Stunde pro Tag - was bei einer typischen Verwendung des Wohnzimmers absolut ausreichend ist. Dagegen haben Haushalte mit Kipplüftung ihre Fenster fast dreimal so lange geöffnet (im Schnitt 2,5 Stunden). Wenn dann gleichzeitig die Heizkörper beim Lüften nicht abgestellt werden (bei einem Viertel der Haushalte ist dies nach eigenen Angaben der Fall), kommt es zu erheblichen Energieverlusten und somit auch zu Mehrkosten.
Auf verschiedene Strategien greifen die Befragten auch zurück, um sich warm zu halten. Während fast 90 % der Haushalte angeben, die Heizung stärker aufzudrehen, wenn ihnen kalt ist, zieht sich die Hälfte der Befragten zusätzlich etwas Wärmeres über, ein Viertel greift außerdem auf Heißgetränke zurück oder macht es sich mit Decken oder Wärmflaschen gemütlich. All diese Möglichkeiten können jedoch auch dazu beitragen, Heizkosten einzusparen, anstatt die Raumtemperatur über die normal ausreichenden Temperaturen anzuheben.
Insgesamt zeigt die Befragung, dass zwar der Energieverbrauch im Schnitt in den Haushalten bereits recht niedrig ist, viele Haushalte aber unbewusst durch ihr Verhalten zu einem unnötig hohen Energieverbrauch beitragen. Dies schlägt sich nicht nur im eigenen Energieverbrauch nieder, sondern kann auch zu erhöhten Energieverbräuchen bei Nachbarn führen. Stoß- statt Kipplüften und „Heizung aus“ beim Lüften sind einfache Möglichkeiten, die Wärme dort zu lassen, wo sie hingehört: im Gebäude.