Das Kulturamt informiert:
Am kommenden Mittwoch wird von Dr. Rüdiger Fikentscher im Beisein von Oberbürgermeisterin Dr. Pia Findeiß ein weiterer und damit letzter Teil des „Familienarchivs Fikentscher“ an das Stadtarchiv Zwickau zur dauerhaften Aufbewahrung übergeben. Damit vervollständigt sich einer der bedeutendsten Nachlässe, den das Archiv für Zwickau verwahrt. Gleichzeitig schließt sich ein Kreis, in dem viele in Zwickau entstandene Dokumente und Unterlagen einer der bedeutendsten Unternehmerfamilien des 19. und 20.Jahrhunderts an ihren Entstehungsort zurückkehren.
Die Tonwarenfabrik von Friedrich Christian Fikentscher (1799-1864) auf dem Gelände der heutigen Bürgerschachtstraße zählte zu einer der ersten Fabriken in Deutschland, die innovativ war und Tonröhren insbesondere für die Kanalisation der Städte, für Wasserleitungen und dergleichen herstellte. Daraus entstanden die späteren Keramischen Werke Zwickau.
Friedrich Christian Fikentscher selbst kam ursprünglich 1845 aus Marktredwitz und war eigentlich Chemiker von Beruf. Zwickau erschien ihm aufgrund der besseren Verkehrslage und wirtschaftlichen Entwicklung, bedingt durch den industriellen Steinkohlenbergbau und der damit sich entwickelnden Folgeindustrie, erfolgversprechend. Hier betrieb er zunächst eine chemische Fabrik, die jedoch nicht besonders gut lief. Deshalb stellte er - den Bedarf frühzeitig erkennend - die Produktion auf Tonwaren um und sollte damit Recht behalten, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Als Unternehmer nahm er einen wichtigen Platz in der Stadtgemeinde ein. So war er Stadtverordneter in Zwickau und in den Jahren 1854 bis 1859 als Vertreter des 15. Städtischen Wahlkreises Mitglied der II. Kammer des Sächsischen Landtages. Noch in Marktredwitz heiratete er 1832 Louise Trommsdorff (*1813), die bereits 1851 verstarb. Die zweite Ehe ging er mit Rosalie Mensing (1826-1895) ein. Zu den namhaften Vertretern der Familie zählten u.a. der Chemiker und Fabrikant Wilhelm Fikentscher (1839-1890) und der Maler Otto Fikentscher (1862-1945).
Dr. Rüdiger Fikentscher, Urenkel von Friedrich Christian Fikentscher, in Schlesien geboren und seit seinem Medizinstudium in Halle lebend, verbrachte nach dem Krieg seine Jugend in Zwickau, wo er an der EOS Gerhard Hauptmann das Abitur ablegte. Er hat seine Wurzeln nie vergessen und fühlt sich auch heute noch eng mit der Stadt verbunden. Deshalb lag es für ihn nahe, den Nachlass des Zwickauer Familienzweiges nach Zwickau zu geben. Seit vielen Jahren verwaltet er mit viel Herzblut und Akribie das umfangreiche und bedeutsame Archiv der Familie, die mittlerweile aus mehreren Linien besteht.
2016 übergab er bereits in einem ersten Schritt den Nachlass seiner von ihm sehr verehrten Tante Gertrud Schubart-Fikentscher, geboren 1896 in Zwickau und erste Rechtsprofessorin mit einem eigenen Lehrstuhl in Deutschland, und ihres Mannes, dem namhaften Papyrologen Prof. Dr. Wilhelm Schubart (1873-1960). Die Stadt Zwickau ehrte Getrud Schubart-Fikentscher wegen ihrer Verdienste mit einer Erinnerungstafel am „Frauenort“ im Rosengarten im Schwanenteichpark. Auch widmete ihr Rüdiger Fikentscher sein Buch „Liebe, Arbeit, Einsamkeit“ (2013), welches maßgeblich auf eigenen Erinnerungen, aber auch auf der gründlichen Auswertung der hinterlassenen Quellen basiert.
Nun folgt der zweite und letzte, aber auch größte Teil des Zwickauer Familienarchivs. Dieser besteht aus zahlreichen privaten Unterlagen, Dokumenten und Briefen zu den Familien Tromsdorff, Mensing und Fikentscher bis 1990, handschriftlichen Familienstammbäumen, Poesie- und Hochzeitsalben, Fotos, aber auch aus Dokumenten zur Fabrik in der Reichenbacher Straße 67 und dem Lebensraum der Familie hier in Zwickau. Anhand dieses Schatzes entstanden aus der Hand Rüdiger Fikentschers weitere Bücher, darunter „Sieben Netze – Friedrich Christian Fikentscher (1799-1864), Industrieller und Bildungsbürger“ (2016), „Deutschland und anderswo – Reiseerlebnisse im 19. Jahrhundert“ (2019) oder sein jüngstes Werk „Nie getrennt – Fünf Geschwister und ihr 20. Jahrhundert“, welches in diesem Jahr erschien.
Nach getaner Arbeit will sich Dr. Rüdiger Fikentscher nun von dem Nachlass seiner Familie trennen, was ihm sichtlich schwerfällt. Er weiß ihn aber im Stadtarchiv Zwickau in guten Händen. Er wird hier sicher verwahrt und fachlich gut betreut und künftig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Mitarbeiter des Stadtarchivs wissen das große Vertrauen zu schätzen, handelt es sich nicht nur um einen Familiennachlass, sondern um ein großes Stück Zeit- und Stadtgeschichte, dass es unbedingt zu erhalten und an künftige Generationen weiterzugeben gilt.