Es gilt das gesprochene Wort!
10. Januar 2019
Liebe Frau Köhler,
sehr geehrter Herr Lange,
meine Damen und Herren!
125 Jahre ist es her, dass Zwickau ein neues Mobilitätsangebot eingeführt hat: Am 6. Mai 1894 verkehrten – nach ersten Testfahrten im April – zwei Straßenbahnwagen auf der Linie Hauptmarkt-Bahnhof. Bereits im Juli wurde die Strecke nach Schedewitz verlängert. Und nur am Rande: Der Fahrpreis betrug 10 Pfennige, die Fahrzeit vom Bahnhof über den Markt bis nach Schedewitz dauerte insgesamt knapp 40 Minuten.
Es war eine dieser wegweisenden Weichenstellungen, von denen unsere Stadt noch heute profitiert und bei der die Verwendung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ tatsächlich berechtigt ist. Ca. 6,6 Millionen Fahrgäste werden heute jährlich mit den Straßenbahnen auf vier Linien befördert. Übrigens feiern die Städtischen Verkehrsbetriebe und die Freunde des Nahverkehrs diesen runden Geburtstag mit einem Jubiläumswochenende am 11. und 12. Mai.
Eine klare Mehrheit des Stadtrates beschloss im Dezember erstmals einen Doppelhaushalt. Damit sind wichtige und richtige Weichenstellungen für die weitere Entwicklung unserer Stadt für 2019 und 2020 und darüber hinaus vorhanden. Vielleicht sind auch solche wegweisenden, wie die zur Straßenbahn vor 125 Jahren dabei. Eins ist sicher, der beschlossene Haushalt einschließlich mittelfristiger Finanzplanung ermöglicht wichtige Investitionen und sichert soziale Leistungen und kulturelle Angebote – kurz gesagt: er steht für eine lebenswerte und attraktive Stadt Zwickau.
Ich hoffe – um einen kleinen „Werbeblock“ einzuschieben –, der Landkreis sieht dies genauso. Herr Michaelis, ich weiß, dass Sie als Beigeordneter nicht für die Kommunalaufsicht verantwortlich sind. Aber bestellen Sie bitte Herrn Landrat Dr. Scheurer herzliche Grüße: Wir würden uns über eine zeitnahe Genehmigung des Haushalts freuen.
Meine Damen und Herren,
die freiwilligen sozialen Leistungen, von denen vor allem Familien profitieren, bleiben erhalten. Neu ist das kostenlose Vorschuljahr. Mitunter gibt es die kritischen Hinweise, ob Zwickau mit diesen Leistungen nicht zu weit geht und das Geld besser investieren sollte. Der Stadtrat und ich sehen das nicht so. Aber auch wir erwarten, dass Bund und Länder noch mehr Augenmerk auf die Unterstützung von Familien legen.
Unabhängig davon, Zwickau wird auch in diesem und den kommenden Jahren etliche Investitionen stemmen: Geplant sind mit dem Haushalt die Sanierung der August-Bebel-Schule in Oberhohndorf, die grundhafte Erneuerung der Neuplanitzer Adam-Ries-Schule, die Sanierung der Crossener Grundschule und der Neubau der Sprachheilschule Anne Frank.
Kitas bilden einen weiteren Schwerpunkt in der Finanzplanung. Zwischen 1990 und 2010 ging es oft um die Schließung von Einrichtungen. Und es grenzte an ein kleines Wunder, als 2009 – im Dezember werden es zehn Jahre – in Pölbitz eine neue Kita eröffnen konnte: die Krümelkiste bei der Dittesschule. Nun stehen beispielsweise die Sanierung der Kita Paulus und des Marienhofs, beide in Marienthal, an oder der Neubau eines Horts in Oberhohndorf. Sanierungsmaßnahmen im „Wassertröpfchen“, im „Harlekin“ oder in der „Schatzinsel“ stehen in den kommenden Jahren ebenfalls auf dem Plan. Größtes Bauprojekt im Sportsektor ist das Ballsportzentrum in Neuplanitz. Die vorhandene Sporthalle wird saniert und um eine weitere Großsporthalle ergänzt. Wenn die Planungen weiterhin gut laufen, könnte der Baubeginn vielleicht noch Ende des Jahres sein.
Die Straßen, deren schlechter Zustand so oft angesprochen wird, haben Stadtverwaltung und -rat nicht vergessen. Beispielhaft belegen dies der Ausbau der Olzmannstraße, die Sanierung der Audistraße oder des Poetenweges, die Neugestaltung der Marienstraße oder die Unterstützung für den weiteren Ausbau der B 175, nördlich von VW. Auch die Cainsdorfer Brücke oder die Instandsetzung der Bürgerschachtstraße finden sich in dem ordnerdicken Plan wieder. Nicht zu vergessen: die Umgestaltung des Bahnhofvorplatzes!
Ich könnte Ihnen noch viele Maßnahmen aufzählen, die realisiert werden sollen, wie der Neubau des Feuerwehrgerätehauses in Marienthal oder die Umgestaltung des Planitzer Marktes. Im Bereich der Wirtschaftsförderung sollen die Mittel für den Breitbandausbau nicht unerwähnt bleiben, auch wenn dieser Prozess aufgrund der Förderkriterien äußerst kompliziert ist. Mittel im zweistelligen Millionenbereich sind für die Entwicklung eines gemeinsamen Industrie- und Gewerbegebietes mit Werdau eingeplant.
Und auch Veranstaltungen sind in Planung: Dieses Jahr steht vor allem im Zeichen des 200. Geburtstages von Clara Schumann. Wir freuen uns, dass im kommenden Jahr die Landesausstellung in Zwickau stattfindet. 2023 erwarten wir über 2.500 Kinder und Jugendliche zum Bundesfinale von „Jugend musiziert“.
Ich bin natürlich nicht so blauäugig zu glauben, dass diese und weitere Vorhaben „Selbstläufer“ sind. Wir sind von der wirtschaftlichen Entwicklung ebenso abhängig wie von Förderprogrammen. Und manches Mal machen uns Ausschreibungsergebnisse einen deutlichen Strich durch die finanziellen Planungen.
Im vergangenen Jahr ist vieles gelungen: Drei Spielplätze sind neu entstanden, die Sanierung der Fucikschule neigt sich dem Ende entgegen, Trillerstraße und ein weiterer Abschnitt der Werdauer Straße wurden saniert – ich will Ihre Geduld mit einer Auflistung von Erfolgsmeldungen gar nicht strapazieren… Dankbar sind wir in jedem Fall für etliche gute Entwicklungen am Wirtschaftsstandort: Die Arbeitslosigkeit erreichte im Jahresverlauf ein historisches Rekordtief. Mehrere Unternehmen investierten am Standort. Ein Zeichen der Stabilität, Solidität und Nachhaltigkeit ist, dass etliche Unternehmen 2018 runde Jubiläen feiern konnten. Erst vor zwei Tagen erreichte uns die Meldung, dass Pendix zum fünften Jahr in Folge den Umsatz steigerte. 780 Fachhändler in Deutschland und 350 im europäischen Ausland bieten inzwischen das Nachrüstsystem für Fahrräder des jungen Zwickauer Unternehmens an. Weiterhin engagiert entwickeln wir das Gewerbe- und Industriegebiet an der Reichenbacher Straße: Der Abbruch der ehemaligen OTZ hat ebenso begonnen wie der Ausbau der Hilfegottesschachtstraße.
Apropos Reichenbacher Straße: Hier erlebten Frau Hempel und ich kürzlich bei Johnson Controls eine Überraschung. Wir waren, unsicher was uns erwartet, zu einem Termin eingeladen. Wir wurden jedoch in keiner Weise mit etwaigen Hiobsbotschaften konfrontiert. Nein, es wurde die Produktion der fünfzigmillionsten Batterie gefeiert. Eine tolle Leistung. Bei dieser Gelegenheit lobte der Konzernchef, der aus den USA angereist war, dass das Zwickauer Werk das beste weltweit sei.
Meine Damen und Herren,
natürlich gelingt nicht alles.
Dass auch wir Fehler begehen, dass manche Projekte „auf der Kippe“ stehen, Geduld und Strategie gefragt sind und wir von Entscheidungen an anderen Stellen abhängig sind, versteht sich. Uns stehen Herausforderungen bevor.
Stichwort „Fehler“: Fast zu Jahresbeginn stand der Abschlussbericht des Akteneinsichtsausschusses zum Gewandhaus auf der Tagesordnung der Stadtratssitzung. In der Folge trennten wir uns vom Amtsleiter und den Planern, ein neuer Generalplaner wurde ausgeschrieben und gefunden, die Erhöhung der Kosten haben wir kommuniziert. Es gehört zu den Hauptaufgaben von Baubürgermeisterin Köhler und dem neuen Hochbauamtsleiter, dieses wichtige Projekt engagiert zu steuern und zielgerichtet zu führen. Ich bin zuversichtlich, dass ihnen das gelingt.
Stichwort „auf der Kippe“: Das Theater Plauen-Zwickau führte – ohne dass die Geschäftsführerin oder die Beschäftigten dafür etwas konnten – zu einem Wechselbad der Gefühle. Im Frühsommer sorgte der Kulturpakt des Freistaates für berechtigte Hoffnungen, das gemeinsame Theater auf ein gesichertes Fundament bauen zu können. Ende des Jahres sorgte die Entscheidung der Mehrheit des Plauener Stadtrates für Ernüchterung – obwohl die Stadt Zwickau der Vogtlandmetropole finanziell noch mehr entgegengekommen war. Es schien sich eine Tragödie zu entwickeln.
Sie haben es vielleicht gehört: Die sprichwörtliche „Kuh“ könnte vom Eis sein und der Gordische Knoten steht vor einer Lösung. Noch müssen die Räte beider Städte zustimmen, aber die Fraktionsvorsitzenden haben sich am Montagabend auf einen Kompromiss geeinigt. Möglich wurde dies auch durch die sachliche, stringente und einheitliche Haltung unserer Fraktionsvorsitzenden. Vielen Dank! Somit rückt es in greifbare Nähe, dass wir endlich zu den Flächentarifverträgen zurückkehren können. Mit der vorzeitigen Verlängerung des Grundlagenvertrages mit Plauen zum gemeinsamen Theater hat diese wichtige kulturelle Institution eine Perspektive für die kommenden Jahre. Damit erhalten wir das Mehrspartentheater, das kulturelle Angebot in der Region wird gesichert und ausgebaut. Wichtig ist mir ein vermeintlicher Nebenaspekt: Am Theater sind 296 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 20 Nationen beschäftigt. Diese Vielfalt tut unserer Region gut!
Stichwort „Geduld und Strategie“: 2019 wird auch ein Kaufhaus-Schocken-Jahr! Noch nie standen wir so kurz vor einer Lösung. Es konnten Fördermittel akquiriert werden, ein privater Investor wurde gefunden, der Stadtrat hat sich zu der Sanierung bekannt und „Nebenkriegsschauplätze“ wurden ausgeräumt. Dennoch sind wir von den Entscheidungen anderer abhängig. Ich hoffe sehr, dass wir dieses denkwürdige Areal, welches für die Innenstadt so wichtig ist, mit neuem Leben erfüllen können.
Stichwort „Förderung“: Wir profitierten und profitieren erheblich von den Förderungen des Freistaates, des Bundes und der EU. Dennoch erlaube ich mir eine Bitte an unsere Landtags- und Bundestagsabgeordneten: Bitte setzen Sie sich weiterhin für die Belange Zwickaus ein, beispielsweise wenn es um die Straßensanierungen geht! Viele Projekte, die ich vorhin in Zusammenhang mit dem Haushalt nannte, können nur mit den entsprechenden Fördermitteln umgesetzt werden.
Stichwort „Herausforderung“: Eine Herausforderung ist der Umbau des VW-Werks zum ersten Werk des Konzerns, in dem ausschließlich E-Fahrzeuge hergestellt werden. Was vor kurzem vielleicht noch wie Zukunftsmusik klang, wird nicht bald, sondern derzeit Realität! Möglicherweise haben Sie anschließend die Gelegenheit, mit Herrn de Vries, Herrn Coers oder Herrn Naduschewski ins Gespräch zu kommen. Nicht nur der Umbau der Produktion stellt eine große Aufgabe dar. Das Mitnehmen und Schulen der Beschäftigten gehört zu den besonderen Herausforderungen, denen sich Geschäftsführung und Betriebsrat stellen. Aber auch wir, Sie und ich, sind gefragt, diesen Wandel zu begleiten und zu gestalten. Ich gebe zu, dass es gar nicht einfach ist, mit dem Tempo von VW mitzuhalten. Allerdings können und wollen wir die Augen nicht verschließen. Die Ladeinfrastruktur, neue Mobilitätskonzepte, neue Wohnquartiere, Bildung und Ausbildung, Anforderungen an Zulieferer – das sind wenige Beispiele, die nur sehr grob umreißen, in welchen Bereichen sich Fragen stellen, die beantwortet werden wollen. Ich bin dankbar, dass VW Sachsen und die Stadtverwaltung auf der Basis der Ende 2017 geschlossenen Vereinbarung eine gute Zusammenarbeit verbindet.
Dass wir in Zwickau ohnehin zur Kooperation imstande sind, um Zukunftsfragen anzugehen, belegt das jüngst gestartete Projekt „ZED“. Hinter dem etwas sperrigen Begriff „Zwickauer Energiewende Demonstrieren“ verbirgt sich das Ziel, in einem Stadtteil Technologien zu erproben und Maßnahmen zu entwickeln, um ein „Null-Emissions-Quartier“ zu erreichen. Ein wichtiger Aspekt ist auch hier, die Menschen mitzunehmen und dementsprechend an der Akzeptanz und Bezahlbarkeit neuer Technologien zu arbeiten. In Zusammenarbeit von Stadt, Westsächsischer Hochschule, öffentlichen und privaten Unternehmen ist es gelungen, dass ZED als eines von nur sechs von 60 eingereichten Projekten ausgewählt und von den Bundesministerien mit mehr als 16 Mio. Euro gefördert wird.
Kooperation kennzeichnete auch unser Jubiläumsjahr! Die Menge an beeindruckenden Veranstaltungen, die vielen gelungenen Projekte haben wir dem Mitmachen von mehr als 240 Vereinen, Institutionen und Unternehmen zu verdanken. Der Erfolg von „900 Jahre Zwickau“ war und ist somit ein Gemeinschaftswerk. Dafür schon an dieser Stelle herzlichen Dank! Wir können später mit einem kleinen Film noch einmal zurückschauen auf das Jubiläumsjahr.
Dabei waren auch wieder viele Menschen ehrenamtlich im Einsatz. Ich bin generell dankbar, dass es in Zwickau Männer und Frauen, Junge und Junggebliebene gibt, die sich Woche für Woche und Jahr für Jahr uneigennützig für ihre Mitmenschen und die Stadt engagieren – im Sport und in der Kultur, bei den Feuerwehren, bei den Hilfs- und Rettungsdiensten oder in der Senioren- oder Sozialarbeit, um nur einige Beispiele zu nennen.
Liebe Gäste,
2019 ist ein Wahljahr! Ende Mai stehen Stadtrats-, Kreistags- und Ortschaftsratswahlen sowie die Wahlen zum Europäischen Parlament an. Im September folgt die Landtagswahl.
Wir stellen damit – um dieses Bild noch einmal aufzugreifen – die Weichen für unsere Stadt, für den Landkreis, für Sachsen und Europa. Es sind Entscheidungen für die kommenden Jahre, die maßgeblich darauf Einfluss haben, wie sich unser Land entwickelt und entwickeln kann.
Nehmen Sie Ihr aktives und passives Wahlrecht wahr! Orientieren Sie sich nicht primär daran, wer die schönsten Plakate hat, wer die meisten Posts und Likes auf Facebook hat oder wer gerne dem „Volk“ nach dem Munde redet. Es wäre schön und wichtig, wenn die Wähler besonnen und mit Überlegung in die Wahlkabinen gehen. Die Frage ist, welche Kandidaten und politischen Gruppierungen für Sie, aber auch für unser Gemeinwesen tatsächlich die beste Wahl sind.
Bewusst sprach ich von besonnen. Denn ganz gleich, ob von rechts oder von links oder wie auch immer politisch motiviert: Gewalt und Bedrohungen, die Veröffentlichung persönlicher Daten, Diffamierungen und Beleidigungen haben in unserer Gesellschaft und in der politischen Auseinandersetzung nichts, überhaupt nichts zu suchen!
Ein letzter Gedanke:
2019 ist der 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution und der politischen Wende. Hier im Saal sind ja Persönlichkeiten, die diesen Prozess nicht nur erlebt, sondern aktiv gestaltet haben – wie z. B. gleich hier in der ersten Reihe Herr Lange oder wie unser Ehrenbürger Erwin Killat.
Es war ein Aufbruch, der Massen auf die Straße brachte, die sich für Freiheit, Demokratie, aber auch Umweltschutz einsetzten. Die Wende und letztlich die Deutsche Einheit, das Erreichen von Freiheit war auch ein Erfolg der Ostdeutschen, insbesondere der Bürgerrechtler, aber auch derjenigen, die sich mitnehmen ließen und die ihre Kritik und ihre Forderungen laut, aber friedlich und mit Anstand artikulierten.
Mit dem Blick auf die Wahlen im kommenden Jahr und angesichts der verschiedenen Ereignisse im letzten Jahr appelliere ich: Lassen Sie uns diesen Erfolg und die gewonnene Freiheit nicht aufs Spiel setzen.