Ein Jahr Integrationsberatungsstelle – Mitarbeiter beraten rund 4000 Mal

veröffentlicht am: 13.04.2018

Die Gleichstellungs-, Ausländer-, Frauen- und Integrationsbeauftragte informiert:

Flüchtlinge wünschen sich mehr Kontakt zu Einheimischen und Vereinen

Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, geht zwar zurück, das Thema Flüchtlinge bleibt jedoch aktuell. Nachdem in den Jahren 2015 und 2016 zunächst Unterkünfte organisiert, Essen und Kleidung besorgt werden mussten, gilt es nun, Flüchtlinge in der Gesellschaft zu integrieren.

Wie das funktioniert, darüber wissen die drei Mitarbeiterinnen der Zwickauer Integrationsberatungsstelle, Hauptstraße 56, zu berichten. Eröffnet wurde das Kooperationsprojekt von Stadt und Landkreis Zwickau im März 2017, besetzt mit zwei Sozialarbeiterinnen der Stadt Zwickau und einer kommunalen Integrationskoordinatorin vom Landkreis.

Das Hilfs- und Beratungsangebot der Beratungsstelle richtet sich an EU-Bürger, Drittstaatenangehörige und Asylberechtigte der Stadt Zwickau und gilt zugleich als Informationsstelle für von Integration und Migration betroffene Bürger.

Gleichzeitig finden hier Institutionen, Vereine, Unternehmer, Arbeitgeber, ehrenamtlich engagierte und interessierte Bürger ein offenes Ohr, wenn es gilt, Netzwerke zu bilden. 

Seit Bestehen der Integrationsberatungsstelle wurden knapp 4000 Einzelberatungen in Anspruch genommen. Die meisten Ratsuchenden stammen aus Syrien, Afghanistan und Eritrea, gefolgt von Personen aus dem Irak, Italien, Kroatien, Libyen, Libanon, Myanmar oder Staatenlosen.

Größtenteils sind es männliche Personen, die Kontakt zur Beratungsstelle aufnehmen. Frauen kümmern sich herkunftsgemäß eher um die Kinder, den Haushalt, sind in einem Sprachkurs untergebracht oder trauen sich ganz einfach nicht.

Die Kontaktaufnahme erfolgt zumeist direkt, da die sprachliche Barriere am Telefon größer ist, als im unmittelbaren Kontakt. 

Die Anliegen, mit denen die Ratsuchenden zur IBS kommen, stehen meist im Zusammenhang mit Schreiben, u. a. vom Jobcenter, der Krankenkasse, der Bank oder einem Internet-/Handyanbieter. Da sie diese weder lesen noch verstehen können, wenden sie sich an die Sozialarbeiterinnen. Diese helfen mit Übersetzungen, erklären Anträge, u. a. zum Kinder- oder Elterngeld, zur Kostenübernahme des Elternbeitrags in einer Kita oder zum Landeserziehungsgeld, und helfen auch gleich beim Ausfüllen. 

„Es gab und gibt aber auch sehr persönliche Themen, wie Familienstreitigkeiten oder Angst um die Familie im Heimatland. Hier reagieren wir sensibel und beruhigend und versuchen gemeinsam Lösungen zu finden.“ erzählt Nadine Simmack. Sie ist eine der drei Mitarbeiterinnen in der Integrationsberatungsstelle. Die Arbeit in der IBS stellt sie täglich vor neue Herausforderungen, auch wenn sich die meisten Anliegen ähneln. Neben den sprachlichen und kulturellen Hürden sind es manchmal auch Extremsituationen, die nahe gehen, wie etwa die Beerdigung eines Kindes oder Frauenschutzangelegenheiten. Besonders letzteres stellt ein grundsätzliches Problem dar. „Frauen, denen Gewalt und Misshandlung widerfuhr, melden sich zwar, haben aber oft sehr große Ängste, diese zur Anzeige zu bringen.“ so Simmack. „Leider sind dann ganz konkrete Hilfsangebote kaum möglich.“

Schwierig sind auch Fälle von drohenden Abschiebungen. Betroffene öffnen nicht rechtzeitig ihre behördliche Post, werden zu spät aktiv oder zunächst von Freunden falsch beraten. Dadurch verstreichen wichtige Fristen für legale Rechtswege. Hier gestaltet sich Hilfe zumeist sehr kompliziert – insofern diese überhaupt noch möglich ist. 

Problemfälle gibt es ebenso im Zusammenhang mit Vermietern. Grund sind zu hohe Nebenkosten in unsanierten Wohnungen, die mitunter von den Mietern nicht selbst verschuldet wurden und auch nur teilweise beeinflusst werden können. Den viel zu kurzen Nachzahlungsfristen folgen meist sehr kostenintensive Mahnungen und die Einschaltung von Inkassounternehmen. 

Dennoch gab es im zurückliegenden IBS-Jahr auch Situationen zum Schmunzeln. „Ein Mann kam zu uns, weil er von seiner Hausverwaltung ein Schreiben bekam. Ihm wurde vorgeworfen, dass er und seine Familie widerrechtlich im Hausflur rauchen. Auch seine Fahrräder nebst Kinderwagen würden den Hausgang zustellen.“ berichtet Sozialarbeiterin Diana Gora. „Er kam ziemlich aufgebracht in die IBS und behauptete, dass stimme überhaupt nicht! Als wir das Schreiben lasen, mussten wir lachen und konnten den Mann schnell beruhigen. Bei dem Brief handelte es sich um ein ganz allgemeines Info-Schreiben im Rahmen der Hausordnung, welches an alle Mieter versandt wurde.“ 

Ein Jahr Integrationsberatungsstelle zeugt davon, wie wichtig Sprache, Verstehen und sachkundige wie humane Beratungen sind. Dankbar wurden nicht nur die Hilfsangebote angenommen, sondern auch die Veranstaltungen, an denen sich die IBS beteiligte. Ob Kunst- und Kulturmeile, Grillen im Rahmen des Projektes „Kochen verbindet“, Kindertag, Sternstunden oder Nikolausstiefelaktion – organisiert und besucht wurden diese sowohl von den Klienten als auch von Einheimischen. Es entstanden einige intensivere Kontakte zu den angrenzenden Geschäften - vor allem zum türkischen Supermarkt gegenüber der IBS und zum nahegelegenen kommunalen JC „City Point“. 

Dass die Kooperation der Akteure vor Ort funktioniert, zeigt auch das gemeinsame Projekt MofA – Module für Asylberechtigte. Das Pilotprojekt zwischen Landkreis Zwickau, Jobcenter Zwickau und Stadt Zwickau lief im letzten Jahr erfolgreich an. In acht unterschiedlichen Modulen werden asylberechtigten Menschen die wichtigsten Grundlagen zum Leben in der Region vermittelt. Das gemeinsame Projekt gewann in diesem Jahr den ersten Platz des Innovationspreises 2017, der von der BA Regionaldirektion Sachsen vergeben wurde. 

Auch die Zusammenarbeit mit den Vereinen vor Ort läuft in der Integrationsberatungsstelle zusammen. Ein Beispiel ist der im vergangenen Jahr gegründete Verein AviZ e. V. – Afrikanischer Verein in Zwickau. Der Verein wird durch die Projektförderung „Demokratie und Toleranz“ des Landkreises Zwickau mit Fördermitteln unterstützt.

Für die Zukunft wünscht sich Integrationskoordinatorin Ina Loitsch, dass sich ehrenamtliche Strukturen verfestigen, denn Integration lebt vom Austausch und Zusammensein. „Wer Ideen oder Interesse an einem ehrenamtlichen Projekt hat, kann gern auf mich zukommen.“ 

Ebenso freuen sich die Sozialarbeiterinnen der IBS auf Unterstützungsangebote. „Die meisten geflüchteten Menschen, die zu uns kommen, möchten gern auch außerhalb der Sprachkurse Deutsch lernen. Sie suchen Kontakte zu Einheimischen. Wir würden uns freuen, wenn sich Zwickauer melden, die z. B. in einem Verein tätig sind oder einem Hobby nachgehen.“ wünschen sich die Sozialarbeiterinnen. „Wer hier Möglichkeiten sieht, geflüchtete Menschen zu integrieren, z. B. als Sportpate, in einem Nähkurs, einer Bastelgruppe oder einem Kochverein, kann sich bei uns melden. Wir vermitteln dann gern weiter.“

Nadine Simmack recherchiert für Abdul Wanab und Rasmi Nassereddin
Nadine Simmack recherchiert für Abdul Wanab und Rasmi Nassereddin