Das Kulturamt informiert:
Die Vorbereitungen für „Geschichte und Geschichten. 900 Jahre Zwickau“ in den Priesterhäusern Zwickau laufen auf Hochtouren. Die ab 18. Februar zu sehende Sonderausstellung ist die erste große Veranstaltung, die eigens für das Stadtjubiläum konzipiert und organisiert wird. Die aus dem Mittelalter stammenden Priesterhäuser sind indes als eines der ältesten erhaltenen Wohnausensembles Deutschlands nicht nur ein architektonisches und denkmalpflegerisches Highlight. Sie sind mit ihrer Dauerausstellung ohnehin Anlaufpunkt Nr. 1 für alle, die sich mit der Geschichte Zwickaus beschäftigen wollen.
Stadtgeschichte von 60.000 v. Chr. bis zur Gegenwart
Den bereits in einem Ratsprotokoll aus dem Jahre 1521 bezeugten Namen „Priesterhäuser“ verdanken die Gebäude dem Umstand, dass in ihnen anfangs die Geistlichkeit und sonstige Bedienstete der Kirche St. Marien wohnten. Später wohnten auch Lehrer der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen, berühmten Zwickauer Lateinschule hier. Seit Untersuchungen, die im Rahmen der in den 1990er Jahren begonnenen Sanierung erfolgten, ist bekannt, dass die Entstehung des ältesten Hauses in das Jahr 1264 zurückreicht. Bereits 1466 bestand das Ensemble in seiner heutigen Grundstruktur. So bilden die vier zum Museum gehörigen historischen Priesterhäuser das älteste erhaltene Wohnbauensemble Sachsens und eines der ältesten Deutschlands.
Seit der Eröffnung als Stadtmuseum im Mai 2003 geben sie einen abwechslungsreichen Überblick über die Geschichte Zwickaus und verhelfen den Besuchern – durchschnittlich rund 20.000 im Jahr – zu manch interessanten Einblicken in die Lebens- und Arbeitswelten längst vergangener Tage. Die präsentierten Objekte reichen von einem aus der mittleren Altsteinzeit stammenden Faustkeil (mind. 60.000 Jahre v. Chr.) bis hin zu einem Film, der am Ende des Ausstellungsrundganges neben der beeindruckenden Geschichte die jüngste Vergangenheit Zwickaus beleuchtet. Dieses Video wird aus Anlass von „900 Jahre Zwickau“ derzeit neu erarbeitet und ist dann mit der Eröffnung der Sonderausstellung zu sehen.
„Dazwischen“ werden die Besiedlung der Region, die historische Stadtstruktur, Reformation, Schule, Handwerk, privates Leben, Industriegeschichte und viele andere Aspekte anschaulich und eindrucksvoll präsentiert. Zu sehen sind beispielsweise eine mittelalterliche Ruß-Küche oder eine unter dem Dach befindliche Schlafkammer, in der Schüler der gegenüberliegenden Lateinschule wohnten. Einige der Schüler verewigten sich auf einer hölzernen Wand mit Inschriften in Latein, Deutsch und Alt-Tschechisch. Die Jahreszahl 1549 gibt einen Hinweis auf die Entstehungszeit. In der Ratsherrenstube „sprechen“ Bürgermeister Mühlpfort und ein Zwickauer Handwerksmeister, der sich lautstark über eine stadtbekannte Person seiner Zeit beschwert. Diskutiert werden Glaubensfragen der reformatorischen Zeit.
Zu den zahlreichen Kostbarkeiten, die in den Zwickauer Priesterhäusern zu sehen sind, gehören unter anderem ein um 1200 entstandenes Holzspielzeugschwert, das älteste bekannte Ratssiegel Zwickaus (um 1290), eine Gehaltsbestätigung von Thomas Müntzer vom 9. Oktober 1520 (Kopie) oder der „Zwickauer Ratsschatz“ (15. bis 17. Jahrhundert). Hoch im Kurs von Besuchern stehen aber auch das Stadtmodell, das Zwickau im 16. Jahrhundert zeigt, oder das Modell des Fördergerüstes und der Fördermaschine des „Bürgerschachtes II“, welches schon bei der Industrie- und Gewerbeausstellung 1906 gezeigt wurde.
Ein anderer Blick auf 900 Jahre – Straßennamen und eine Schatzkammer
Auf ungewöhnliche Art ergänzt wird die Dauerausstellung nun durch die Sonderausstellung, die vom 18. Februar bis 21. Oktober zu sehen sein wird. Wer war Herr Osterweih? Lag das Paradies einmal vor den Toren Zwickaus? So oder ähnlich klingen die Fragen, die sich aufmerksame Spaziergänger im Zwickauer Stadtgebiet stellen können. Dabei gibt es viele Straßen, deren Namen entweder mit der Entwicklung der Stadt zu tun haben oder auf bedeutende und mit Zwickau verbundene Persönlichkeiten verweisen. Doch wer weiß genau, was es damit auf sich hat? Ausgehend von den Straßenschildern werden in den historischen Priesterhäusern und im Museumsneubau an etwa 20 Stationen Geschichte und Geschichten aus dem 900-jährigen Zwickau erzählt.
Beleuchtet werden die Straßen An den Bergkellern, Ernst-August-Geitner-Straße, Tuchmacherdamm, Bosestraße, Colombstraße, Jerusalemer Platz, Klosterstraße, Münzstraße, Nicolaistraße, Osterweihstraße, Mühlpfortstraße, Paradiesbrücke, Neuberinplatz, Stiftstraße, Vereinsglückstraße und Zwickauer Straße. Diese zeigen einen interessanten Querschnitt aus verschiedenen Themenkreisen. So erfährt man zum Beispiel etwas über die Stadtgründung, das Mittelalter, Wirtschaft und Handwerk, Kultur, Kriegszeiten, die Reformation, den Bergbau und die Stadtstruktur. Texte und Bildmaterial zur Bedeutung und Herkunft des jeweiligen Namens, zu den Verbindungen mit Zwickau und zur Biografie der Namenspatrone lassen die Stadtgeschichte lebendig werden und machen sie an verschiedenen Orten im Stadtgebiet nachvollziehbar.
Aus konservatorischen Gründen werden die zeitlich und inhaltlich passenden Ausstellungsobjekte in einer eigenen „Schatzkammer“ im Sonderausstellungsbereich im Dachgeschoss präsentiert. Zu sehen sind herausragende Objekte, wie mittelalterliche Urkunden, in Zwickau gefertigtes Porzellan und ein etwa 700 Jahre alter Siegelstempel des Zwickauer Rates. Das älteste Objekt wird ein regionaler, um 1210 in Silber geprägter Pfennig (Brakteat) sein.
Im Bereich vor der Schatzkammer wird eine Auswahl von Exponaten gezeigt, die bislang noch nie in einer Ausstellung in den Priesterhäusern zu sehen waren. Darunter findet sich zum Beispiel das restaurierte, maßstabsgetreue Modell einer Plattenbauwohnung aus den 1970er Jahren oder – als wohl kuriosestes Stück– das wohl älteste bekannte WC Zwickaus aus dem Jahr 1875.
Zu der Ausstellung gibt es ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm. Derzeit stehen rund 25 Einzelveranstaltungen fest, wie beispielsweise Vorträge, spezielle Ausstellungsführungen für die ganze Familie oder Konzerte. Bereits jetzt gebucht werden kann das museumspädagogische Begleitprogramm. Bei einem interaktiven Rundgang durch die Ausstellung lernen die Schülerinnen und Schüler die wichtigsten Etappen der Stadtgeschichte Zwickaus kennen. Außerdem werden spannende Geschichten erzählt. Zum Abschluss haben die jungen Museumsbesucher die Möglichkeit, individuelle Anstecknadeln oder ein Puzzlespiel mit Abbildungen verschiedener Objekte aus der Ausstellung anzufertigen. Das Programm kann für verschiedene Altersstufen individuell angepasst werden. Apropos Schüler: Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben, wie üblich, in den Priesterhäusern und zur Sonderausstellung freien Eintritt. Am 1. Mittwoch des Monats können alle Besucher das Museum kostenlos besuchen.
Ungewöhnlich an „Geschichte und Geschichten. 900 Jahre Zwickau“ ist schließlich, dass sie im Stadtbild auf besondere Art und Weise präsent sein wird. An den thematisch passenden Straßenschildern in Zwickau werden öffentlichkeitswirksam kleine Werbetafeln angebracht, die auf die Jubiläumsausstellung verweisen.