Zum 175. Geburtstag: Karl May in Zwickau

veröffentlicht am: 25.02.2017

Die Ratsschulbibliothek Zwickau informiert:

Karl May (1842-1912), dessen Geburtstag sich heute, am 25. Februar, zum 175. Mal jährt, ist mit einer weltweiten Gesamtauflage von vorsichtig geschätzten 200 Millionen Bänden (etwa die Hälfte davon sind Übersetzungen in mehr als 45 Sprachen) der noch immer meistgelesene deutschsprachige Schriftsteller.

Mit Zwickau verbindet ihn vor allem die erste seiner beiden mehrjährigen Haftstrafen. Am 8. Juni 1865 wird er in Leipzig „wegen mehrfachen Betrugs“ zu vier Jahren und einem Monat Arbeitshaus verurteilt. Vom 14. Juni 1865 bis 2. November 1868 verbüßt May diese Strafe in der Anstalt Schloss Osterstein. Auf eigenen Wunsch verbringt er einen Teil davon in Einzelhaft. In „Folge Allerhöchster Gnade“ kommt er wegen guter Führung acht Monate vorzeitig frei. 

Entgegen allen zählebigen Legenden hat Karl May nicht die meisten seiner Werke hinter Gittern verfasst. In Zwickau wurde er allerdings nach einer gewissen Bewährungszeit als Schreiber des Inspektors Karl August Alexander Krell (Rufname: Alexander, 1827-1896) eingesetzt. In dieser Funktion dürfte er wichtige Zuarbeit für zwei Publikationen geleistet haben: Krell, Jahresbericht über Zustände und Ereignisse bei der Strafanstalt Zwickau mit der Hilfsanstalt Voigtsberg während des Jahres 1867 sowie Krell und Anstaltsdirektor Eugène d’Alinge (1819-1894), Das Zellenhaus bei der Strafanstalt Zwickau : Erfahrungen und Beobachtungen über die Einzelhaft ; Zwei Berichte (beide Veröffentlichungen Zwickau, 1869).

Nachdem der Häftling „Nummer 171“ in die höchste Disziplinarklasse aufgestiegen war, hat er die Möglichkeit, die mit rund 4000 Titeln gut bestückte Gefangenenbibliothek ausgiebig zu nutzen. In Plänen für das Leben danach sieht sich der Mittzwanziger als erfolgreichen Schriftsteller. Das aus dieser Zeit erhalten gebliebene Repertorium C. Maÿ legt Zeugnis davon ab. Es enthält 137 Positionen für künftig zu schreibende literarische Werke. Einige, allerdings nur wenige Ideen hat er später tatsächlich verwirklicht.

Höchstwahrscheinlich bereits in Zwickau (1868) entsteht das 16 Strophen umfassende Gedicht Weihnachtsabend. Es schildert wie ein reuiger Gefangener, der mit sich und der Welt ins Reine gekommen ist, am Weihnachtsabend in der Gewissheit verstirbt: „Denn geboren wurde heute auch Dein Heiland Jesus Christ!“ Teile aus diesem Gedicht verwendet May später  mehrmals in Romanen.

Über die humanen Haftbedingungen in Zwickau unter d’Alinge, Autor von: Bessrung auf dem Wege der Individualisirung : Erfahrungen eines Praktikers über den Strafvollzug in der Gegenwart (Leipzig, 1865) äußert sich May rückblickend in seiner Autobiographie Mein Leben und Streben (Freiburg i. Br., 1910) mit höchster Anerkennung: „Es war mir ein unwiderstehliches Bedürfnis, die Ruhe und Ungestörtheit der Zelle so viel wie möglich für mein geistiges Vorwärtskommen auszunutzen … So verwandelte sich für mich die Strafzeit in eine Studienzeit … Ich werde über diesen großen, unschätzbaren Gewinn, den die Gefangenschaft mir brachte, noch fernerhin sprechen. Noch heut bin ich ganz besonders dankbar dafür, daß es mir nicht verboten war, mir fremdsprachige Grammatiken anzuschaffen und hierdurch den eigentlichen Grund zu meinen späteren Reisearbeiten zu legen … ich habe mich hier … mit dem Umstand zu befassen, daß die mir anvertraute Verwaltung der Gefangenenbibliothek mir Gelegenheit zu höchst wichtigen Beobachtungen und Erfahrungen gab, unter deren Einfluß meine schriftstellerische Tätigkeit sich zu der gestaltete, die sie geworden ist.“

Die Haftzeit in Zwickau stellt also eine nicht unwichtige Etappe auf dem Weg Karl Mays zum Erfolgsschriftsteller dar, wenn auch danach retardierende Momente diese  Entwicklung verzögern (weitere Delikte und eine Zuchthausstrafe in Waldheim von 1870 bis 1874).

 

Karl May 1907, Foto: Erwin Raupp
Schloss Osterstein (1915) als Strafanstalt, Ansichtskarte vom Kunstverlag Brück & Sohn
Schloss Osterstein heute als Seniorenwohnanlage
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