Buchlesung am 16. März im Robert-Schumann-Haus
Im Beisein von Oberbürgermeisterin Dr. Pia Findeiß übergab Dr. Rüdiger Fikentscher am heutigen Freitag dem Zwickauer Stadtarchiv den ersten Teil des „Familienarchivs Fikentscher“. Es handelt sich um einen der bedeutendsten Nachlässe, den das Stadtarchiv und damit die Stadt Zwickau für die Zukunft verwahren darf. Dr. Rüdiger Fikentscher, Urenkel von Friedrich Christian Fikentscher (1799 – 1864), der aus Bayreuth kommend 1845 eine Tonwarenfabrik auf dem Gelände der heutigen Bürgerschachtstraße gründete, verwaltet seit vielen Jahren den umfangreichen und bedeutsamen Nachlass der Familie Fikentscher, die mittlerweile aus mehreren Linien besteht.
Die Tonwarenfabrik seines Urgroßvaters, der von Haus aus Chemiker war und hier zunächst eine chemische Fabrik betrieb, zählte zu den ersten Fabriken in Deutschland, die Tonröhren insbesondere für die Kanalisation der Städte, für Wasserleitungen und dergleichen herstellte. Dies war ein ungeheurer Fortschritt. Die Firma bildete später den Grundstock für die Keramischen Werke Zwickau.
Auch als Politiker wurde F.C. Fikentscher aktiv: Er war Stadtverordneter in Zwickau und in den Jahren 1854 bis 1859 als Vertreter des 15. städtischen Wahlkreises Mitglied der II. Kammer des Sächsischen Landtages. Er heiratete 1832 Louise Trommsdorff (1813–1850) und nach deren frühem Tod 1851 in zweiter Ehe Rosalie Mensing (1826–1895). Jeder Ehe entstammten fünf Söhne und zwei Töchter. Zu den namhaftesten Vertretern dieser Familie zählen u.a. der Chemiker und Fabrikant Wilhelm Fikentscher (1839 – 1890) und der Maler Otto Fikentscher (1862 – 1945), aber auch die 1896 in Zwickau geborene erste Rechtsprofessorin mit einem eigenen Lehrstuhl in Deutschland Gertrud Schubart-Fikentscher.
Rüdiger Fikentscher, seit seinem Studium in Halle lebend, folgte seinem Urgroßvater sowohl beruflich im weitesten Sinne als Arzt und politisch als Vizepräsident i.R. des Landtags von Sachsen-Anhalt. Er hat seine Wurzeln nie vergessen und fühlt sich immer noch mit der Stadt seiner Jugend verbunden. Aus diesem Grund lag es für ihn nahe, den Nachlass des Zwickauer Familienzweiges nach Zwickau zu geben.
In einem ersten Schritt wurden nun v.a. von Gertrud Schubart-Fikentscher und ihrem Mann, dem namhaften Papyrologen Prof. Dr. Wilhelm Schubart (1873-1960), Dokumente wie Briefe, Tagebücher, Fotos und persönliche sowie berufliche Aufzeichnungen und Unterlagen, aber auch Promotions- und Ernennungsurkunden sowie die Urkunde zum „Vaterländischen Verdienstorden in Bronze“ für Gertrud Schubart-Fikentscher dem Stadtarchiv übergeben. Auch Aquarelle von Gertrud gehören zum Nachlass.
Gertrud Schubart-Fikentscher, von der Familie liebevoll Ruth genannt, lebte bis zu ihrem 20. Lebensjahr in Zwickau. Zwischen 1943 und 1946 fand sie zusammen mit ihrem Ehemann als in Berlin Ausgebombte Aufnahme in der Familie. Sie blieb bis zu ihrem Tod 1985 sowohl der Zwickauer Familie als auch der Stadt Zwickau aufs Engste verbunden. Leider geriet sie selbst trotz ihres hervorragenden Rufs in der Wissenschaft ausgerechnet hier in Vergessenheit. Nun kommt zumindest ihr Nachlass in ihre Geburtsstadt zurück!
Auf der Grundlage dieses Nachlasses schrieb Dr. Rüdiger Fikentscher sein Buch „Liebe, Arbeit, Einsamkeit“, welches er im Rahmen einer Veranstaltung des Stadtarchivs am 16. März 2016 um 18 Uhr im Robert-Schumann-Haus vorstellt.