Nachfahren kommen in die Geburtsstadt des berühmten (Ur-)Großvaters
Die Zwickauer Stadtchronik ist mit dem 11. April 2014 um ein wichtiges Datum reicher. Um 18 Uhr erfolgt die feierliche Eröffnung des Max-Pechstein-Museums in den KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU in der Lessingstraße 1.
Max Pechstein (1881 bis 1955) ist neben dem romantischen Komponisten Robert Schumann und dem Automobilpionier August Horch die dritte international bekannte Persönlichkeit, deren Lebenswerk die Stadt Zwickau in einem Museum lebendig werden lässt. Die neue Dauerausstellung mit Werken des bedeutenden Expressionisten und „Brücke"-Malers, der in Zwickau geboren wurde, ist die weltweit umfangreichste ihrer Art.
Zur Eröffnung im Beisein geladener Gäste haben sich sechs Enkel und drei Urenkel von Max Pechstein angekündigt. Sie wollen dabei sein, wenn dieser lang gehegte Traum Wirklichkeit wird. Dafür nehmen Pechsteins Nachfahren teils sehr lange Anreisen in Kauf. Sie kommen aus Berlin, Hamburg und Kiel, aber auch aus Frankreich, England und den USA.
Fortan befindet sich das Lebenswerk von Max Pechstein an einem attraktiven Ausstel-lungsort. In vier Räumen werden insgesamt fast 50 Werke - darunter Gemälde, Skulptu-ren und kunstgewerbliche Arbeiten - aus Pechsteins gesamter Schaffenszeit gezeigt.
In den letzten Jahrzehnten konnte mit Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken sowie Briefen und Postkarten eine hochkarätige Pechstein-Sammlung aufgebaut werden, die durch zahlreiche Dauerleihgaben aus Privatbesitz erweitert wurde.
VERLÄNGERTE ÖFFNUNGSZEITEN UND BUNTES
KULTURPROGRAMM AM ERÖFFNUNGSWOCHENENDE
Am Samstag und Sonntag feiern die Zwickauer und ihre Besucher ihr neues Max-Pechstein-Museum. Nach der feierlichen Eröffnung am Freitag, gibt es am Samstag, dem 12. April, von 13 bis 18 Uhr ein buntes Rahmenprogramm. Um 13 Uhr heißt es: „Pechstein kommt!". Um 15 Uhr führt Enkel Alexander Pechstein durch die neuen Räume und um 17 Uhr hält Enkelin Julia einen Vortrag unter dem Titel Max Pechstein: „... gezeichnet habe ich immer." Für Musik sorgt an diesem Tag das Trio Muggefugg und in der Kuppelhalle gibt es Kaffee und Kuchen.
Ein interessanter Vortrag steht am Sonntag, dem 13. April, um 14 Uhr, auf dem Pro-gramm. Ulrich Drumm, Mitglied des Fördervereins „Max Pechstein" - Kunstsammlungen Zwickau e. V. bereiste in den vergangenen Jahren wiederholt die Palau-Inseln. Mit dem Vortrag „Palau gestern und heute" widmet er sich Pechsteins wohl wichtigsten Inspirati-onsort. Denn der Aufbruch auf die Südseeinselgruppe Palau im Jahr 1914 stellte zweifels-ohne einen Höhepunkt in Pechsteins künstlerischem Leben dar. Weitab der westlichen Zivilisation fand der Maler tatsächlich ein kleines Paradies und die Ursprünglichkeit des Lebens, nach der er sich gesehnt hatte. Seine Eindrücke hielt er in zahlreichen Aquarellen, Holzschnitten, Tuschezeichnungen und Ölgemälden fest.
Wichtiger Hinweis für alle, die diesen Vortrag unbedingt erleben wollen: Es steht nur eine begrenzte Anzahl an Sitzplätzen zur Verfügung.
Damit man sich der Ausstellung in Ruhe zuwenden kann, gelten am Eröffnungswochen-ende verlängerte Öffnungszeiten: am Samstag, dem 12. April 2014, öffnen die KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum von 13 bis 20 Uhr und am Sonn-tag, dem 13. April 2014, von 11 bis 18 Uhr.
Der Eintritt für alle Veranstaltungen ist an beiden Tagen frei.
Bekannt wurde Max Pechstein als Mitglied der 1905 in Dresden gegründeten Künstlergruppe „Brücke" durch seine farbintensiven Gemälde mit Darstellungen von Mensch und Natur.
Die Spannbreite seines künstlerischen Schaffens reicht jedoch weit über die bedeutenden Werke aus der „Brücke"-Zeit hinaus. So werden in den KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum Arbeiten aus sechs Jahrzehnten zu sehen sein. Damit stellt erstmals in diesem Umfang eine museale Dauerausstellung das Werk des herausragenden deutschen Expressionisten vor. Die Auswahl spannt den Bogen von der frühen, 1896 entstandenen Studie des jugendlichen Pechstein bis zum letzten Gemälde aus dem Jahr 1953. Die Schau beinhaltet neben den Landschaften und Stillleben zudem dekorative Werke wie Glasbilder und Skulpturen, aber auch die weniger bekannten Mosaike. Ebenso gehören bisher kaum öffentlich gezeigte Porträts von Familienangehörigen oder das farbenfrohe, fast surreal zu bezeichnende Spätwerk des Künstlers zu den Besonderheiten dieser Präsentation. Einen absoluten Höhepunkt stellen allerdings die Gemälde dar, die im Anschluss an Pechsteins Reise in die Südsee im Jahr 1914 entstanden sind und die wie kaum eine andere Werkgruppe seine Sehnsucht nach Einfachheit und Ursprünglichkeit ausdrücken.
EIN RUNDGANG DURCH DAS MAX-PECHSTEIN-MUSEUM ist eine Reise durch die Schaffensphasen des berühmten Zwickauers.
AUSSTELLUNGSRAUM 1
„Kunst ist Steigerung des Handwerks."
Max Pechstein, 1946
Dekorationsmaler und freier Künstler
Für Pechstein stand bereits früh fest, dass er Maler werden wollte. Räume auszuschmücken und zu gestalten ist für Pechstein selbstverständlich. Er versteht sich als Kunst-Handwerker und moderner Raumkünstler. Zeitlebens arbeitet er als freischaffender Künstler an Wandmalereien, Deckenfresken, Glasfenstern und Mosaiken. Zudem entwirft er Bühnenbilder, Plakate und gestaltet neben bildhauerischen auch kunsthandwerkliche Objekte. Pechsteins Gespür für das Dekorative spiegelt sich unter anderem im Mosaikentwurf „Anbetung der Heiligen drei Könige" (1917) wieder.
AUSSTELLUNGSRAUM 2
„Die Freiheit ist in und um mich. Alles der Sonne zu."
Max Pechstein, 1914
„Meine Kunst, die Arbeit als Fischerknecht und die damit verbundenen Freuden ließen sich nicht voneinander trennen."
Max Pechstein, Erinnerungen 1946
Pechsteins Orte der Inspiration: Nidden, Palau, Leba, Rowe
Häufig reist der Künstler an Orte, die er als Gegenentwurf zum hektischen städtischen Treiben wahrnimmt. Max Pechstein sehnt sich nach einem ursprünglichen, einfachen Leben mit und in der Natur. Seine ausdrucksstarken Bildwelten mit Landschaften am Meer und Menschen bei der Arbeit sind gemalte Visionen der beglückenden Einheit von Kunst und Leben. An der Ostsee und am Mittelmeer verbringt er kreative Sommermonate, fühlt sich frei und erlebt die unzähmbare Natur mit ihren erdverbundenen Bewohnern. Nirgendwo anders findet Max Pech-stein die elementare Kraft als am und auf dem Meer. Es inspiriert sein Schaffen genau wie die ständige Suche nach paradiesischer Abgeschiedenheit. Im Fischerdorf Nidden auf der Kurischen Nehrung - Pechsteins Malerparadies ab 1909 - regen ihn Fischer, Steinträger und Frauen mit Lasten auf den Köpfen zu Bildern an.
Einen lang ersehnten Traum verwirklicht Max Pechstein 1914: Er reist mit seiner Frau Lotte zur Inselgruppe Palau, einer deutschen Kolonie im Südpazifik. Dort lebt und arbeitet er in engem Kontakt mit den Eingeborenen. Durch den plötzlichen Ausbruch des Ersten Weltkrieges muss Pechstein früher als geplant seinen Aufenthalt beenden und kehrt 1915 nach Deutschland zurück. Nach seinem Kriegseinsatz kann er erst ab 1917 das verlorene Südseeparadies auf zahlreichen Gemälden darstellen. Das Ostseebad Leba in Hinterpommern wird ab 1921 Pechsteins neue Heimat. Hier lernt er seine zweite Frau Marta kennen und verbringt die Sommermonate nun regelmäßig an der Ostseeküste. Die Dünen, der Hafen, die Fischer, der Garder See - all diese Motive fängt er in den nächsten Jahrzehnten wiederholt ein.
Experimentierfeld: Stillleben
Zeitlebens malt Max Pechstein Stillleben. In ihnen setzt er sich mit neuen künstlerischen Einflüssen auseinander. Ebenso verarbeitet er darin die Naturerfahrungen seines verlorenen Südseeparadieses. Anders als beim unmittelbaren Arbeiten in der Natur, ist beim Stillleben der Bildgegenstand im Atelier jederzeit verfügbar und schnell arrangiert.
In den frühen Stillleben von 1912 bis 1913 beschäftigt sich Pechstein mit kristallinen Strukturen und geometrischen Figuren. Bestimmte Bildgegenstände wie zum Beispiel der Bauernkrug mit blauer Blume finden sich auf mehreren Gemälden wieder.
Nach der Südseereise und der kriegsbedingten Schaffenspause entstehen 1917 und 1918 mehr als zwanzig Stillleben. Diese bedeuten ihm eine kreative Zuflucht: Max Pechstein malt heimische und exotische farbenprächtige Blumen und kombiniert sie in schlichten Vasen mit kultischen Masken und Figuren. In diesem dekorativen Kulturmix entwirft er ein ideales Gegenbild zur eigenen Kultur und gestaltet seinen Traum vom unverfälschten Leben mit der Natur.
AUSSTELLUNGSRAUM 3
„Habe mich in die Malerei vertieft, und erkannt, dass sie und nur sie inbrünstig geliebt, einem Alles geben kann. Wenn man bloß nicht gezwungen wäre, die Arbeiten gegen Geld einzutauschen, um zu leben."
Max Pechstein, 1924
Max Pechstein als Portraitmaler
Nach wie vor malte Pechstein Landschaften und Menschen bei der Arbeit. Doch auch Portraitaufträge sind willkommen. Mit kräftigen Farben und kantigen Formen setzt er die Modelle formatfüllend ins Bild. Stärker als früher gibt er reale Eindrücke seines familiären Umfeldes wieder, wie zum Beispiel in den Bildnissen von Ehefrau Marta und Sohn Frank. Pechsteins Selbstbildnisse fallen stilistisch recht unterschiedlich aus und veranschaulichen die große Bandbreite des Künstlers.
AUSSTELLUNGSRAUM 4
„Ich versuche nachzuzeichnen, was mir in vagen Träumen wiederkommt. Ich möchte meiner Sehnsucht nach beglückenden Erlebnissen Ausdruck geben."
Max Pechstein, 1949
Das Spätwerk und Max Pechsteins Erinnerungen an die Südsee
Szenen mit Booten, Badende am Meer, exotische Lebensfreude: Am Ende seines Lebens malt Max Pechstein farbenfrohe und lichtdurchflutete Bilder. Die Erinnerungen an die Südsee verklären sich zu einer heilen Welt, die er mit seiner Kunst bewahren möchte. Es bewegt ihn der Gedanke „... nachzuschaffen, was verloren gegangen ist."
Als Künstler muss er Deutschland unter der Naziherrschaft als besonders drückend erleben. Er verliert seine Stelle als Malereiprofessor an der Kunstakademie; seine Werke werden aus den Museen entfernt. Als „entarteter Künstler" gerät er in eine finanziell prekäre Situation. Verkäufe der Ausstellungen sind kaum mehr möglich. Wochenlang lebt er zurückgezogen in einer Hütte am Koser See in Hinterpommern. Nach Kriegsende kehrt Pechstein 1945 nach Berlin zurück. Dort findet er Wohnung und Atelier sowie den größten Teil seiner Werke vernichtet. Er schreibt an seinen Sohn Mäki: „Wollen wir aber den Mut nicht sinken lassen, ich muß mich eben als alter Wanderer wieder auf den Weg machen, um ein unberührtes Fleckchen Erde zu finden, wo man nur Mensch und Natur sein kann und darf." Er unternimmt erneut Reisen an verschiedene Orte der Nord- und Ostsee, allerdings mit insgesamt geringerer künstlerischer Ausbeute. Als Professor an der Hochschule für Bildende Künste gibt er seine Kunstauffassungen an die Jugend weiter. Hochgeehrt und mit Preisen ausgezeichnet, verstirbt Max Pechstein 1955 in Berlin.