Erst- und Uraufführung von Schumann-Werken
Einen ersten Höhepunkt im Schumann-Jahr erlebt Zwickau vom 21. bis 24. Januar: Ein Zyklus mit vier Konzerten ergänzt eine Internationale wissenschaftliche Tagung, bei der sich über 30 Schumann-Experten in der Geburtsstadt des großen romantischen Komponisten versammeln. „Robert Schumann - Musik und Dichtung" lautet das Motto.
Zu den Konzerten gehört am 21. Januar das Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters Plauen-Zwickau mit dem Pianisten und Geiger Kolja Lessing. Am Freitag folgt das Konzert des Kammerchors der Clara-Wieck-Chöre Zwickau. Auf dem Programm steht dann unter anderem die Erstaufführung von zwei bisher in den Schumann-Werkverzeichnissen nicht beachteten Chören von Robert Schumann: „Wehmut" und „Herbstlied". Den Abend darauf gestalten die Sängerinnen Doerthe Maria Sandmann aus Berlin und Lydia Vierlinger aus Wien. Höhepunkt im Robert-Schumann-Haus wird dann die Uraufführung von Schumanns bisher unveröffentlichtem Duett „Deutscher Blumengarten" auf einen Text von Friedrich Rückert sein.
Der Titel für die Veranstaltungen kommt nicht von ungefähr: Die für die romantische Ästhetik zentrale Verbindung der Künste erreicht im Schaffen Robert Schumanns einen Gipfelpunkt. Musik und Dichtung sind hier auf das innigste verwoben. Literarische Werke dienen Schumann in seinen Instrumentalkompositionen als inhaltliche oder formale Vorlagen, die musikalischen Werke werden somit selbst zu Tondichtungen. Seine Vokalwerke zeigen ein bis dahin ungekanntes Niveau der Verbindung von Wort und Ton.
Robert Schumann wurde 1810 in Zwickau in ein literarisches Haus geboren. Sein Vater hatte als Verleger zahlreiche Ausgaben klassischer und zeitgenössischer Literatur veröffentlicht und auch selbst Romane und Übersetzungen verfasst. Zum Verlagsprogramm gehörten auch Byrons „Manfred" oder Moores „Das Paradies und die Peri", denen sich Schumann später in groß angelegten Vertonungen zuwandte. In seinen Schuljahren versuchte sich Schumann selbst als Dichter; erst 1830 fiel seine Entscheidung für die musikalische Karriere. Der Weg zur Komposition führte ab 1827 zunächst über die Vertonung eigener und fremder Gedichte.
In seiner 1834 gegründeten „Neuen Zeitschrift für Musik" beschwor Schumann das Ideal einer „neuen poetischen Zeit". Er war Zeit seines Lebens ein eifriger Leser. Große Teile seiner Bibliothek sind im Robert-Schumann-Haus Zwickau erhalten, viele dieser Handexemplare zeigen aufschlussreiche Eintragungen und Anstreichungen. Sein im Robert-Schumann-Haus erhaltenes Lektürebüchlein gibt für die Jahre 1845 bis 1852 ein detailliertes Verzeichnis der von ihm gelesenen Bücher. Für das Jahrzehnt 1834 bis 1844 bieten seine literarischen Exzerpte der Mottosammlung und für 1853 die Anthologie Dichtergarten zahlreiche Aufschlüsse über Schumanns Lesestoff. Beide Quellen des Robert-Schumann-Hauses liegen inzwischen in Editionen vor.
Konzerte
Das Eröffnungskonzert am Donnerstag, dem 21. Januar um 19.30 Uhr im Konzert- und Ballhaus „Neue Welt" holt einen der interessantesten Schumann-Spezialisten des gegenwärtigen Musiklebens nach Zwickau, den Pianisten und Geiger Kolja Lessing. Zuletzt war er 2007 als umjubelter Geigenvirtuose in der Neuen Welt zu hören, nicht minder begabt ist er jedoch als Pianist.
In seinem letzten Schaffensjahr 1853 komponierte Schumann zwei Konzertstücke für Soloinstrument und Orchester, eins davon für Klavier, das andere für Violine. Beide werden im Konzert mit Kolja Lessing, begleitet vom Philharmonischen Orchester Plauen-Zwickau unter Leitung von Philipp Pointner zur Aufführung kommen. Weiterhin stehen auf dem Programm die Variationen über ein Thema von Haydn von Johannes Brahms und die 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Karten sind über den Kartenservice des Theaters Plauen-Zwickau zum Preis von 12 bis 19€ erhältlich.
Neben einem kurzen Museumskonzert am Sonntagnachmittag locken am Freitag- und Samstagabend jeweils um 19.30 Uhr zwei Konzerte mit Ur- und Erstaufführungen ins Robert-Schumann-Haus.
Am Freitag, dem 22. Januar, ist dort der Kammerchor der Clara-Wieck-Chöre Zwickau unter Leitung von Uwe Moratzky mit den Pianisten Jacob und Simon Fritzsch sowie Jürgen Lorenz zu erleben. Auf dem Programm des Konzerts mit dem Titel „Tag und Nacht" stehen Chorlieder und Motetten sowie Klavierstücke von Robert und Clara Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms, Anton Bruckner, Sergej Rachmaninov, Joseph Rheinberger und Jürgen Golle. Als Erstaufführung bietet das romantisch-zeitgenössische Programm zwei bisher in den Schumann-Werkverzeichnissen nicht beachtete Chöre von Robert Schumann: „Wehmut" und „Herbstlied". Den ersten Text vertonte Schumann auch für Solostimme in seinem berühmten Eichendorff-Liederkreis op. 39.
Das musische Clara-Wieck-Gymnasium im 1712 erbauten Zwickauer Barockschloss Planitz hat einen Kinderchor, einen gemischten Chor und den Kammerchor. Uwe Moratzky, der auch Leiter des Jugendsinfonieorchesters des Robert-Schumann-Konservatoriums ist, gründete den Chor 1992. Das Repertoire erstreckt sich von der Renaissance bis zur Gegenwart. Neben a-cappella-Gesang erklingt mindestens einmal im Jahr auch ein großes chorsinfonisches Werk. Die etwa 30 bis 35 Sänger des Kammerchors proben zweimal pro Woche und versammeln sich darüber hinaus zu vier bis fünf Probenwochenenden im Jahr. Die intensive Arbeit hat sich durch zahlreiche Preise bei renommierten Wettbewerben ausgezahlt: So war der Chor Sieger in der Kategorie Gemischte Jugendchöre beim Internationalen Chorwettbewerb in Budapest 2007 und beim Internationalen Chorwettbewerb in Riva del Garda 2002.
Am Samstag, dem 23. Januar, gastieren die Sängerinnen Doerthe Maria Sandmann aus Berlin und Lydia Vierlinger aus Wien im Robert-Schumann-Haus. Durch mehrere CD-Einspielungen haben sich beide als Interpretinnen für das romantische Duett-Schaffen ausgezeichnet. Sie werden begleitet von der japanischen Pianistin Akiko Yamashita.
Romantische Duette von Schumann, Mendelssohn und Brahms bietet das bunte Programm der beiden Sängerinnen unter dem Titel „Wenn ich ein Vöglein wär'". Besondere Attraktion ist dabei die Uraufführung von Schumanns bisher unveröffentlichtem Duett „Deutscher Blumengarten" auf einen Text von Friedrich Rückert, dessen Autograph 2008 vom Robert-Schumann-Haus Zwickau mit Mitteln der Stadt Zwickau, der Robert-Schumann-Gesellschaft, des Freistaats Sachsen und des Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung erworben werden konnte.
Die Sopranistin Doerthe Maria Sandmann wurde in Berlin geboren und erhielt bereits seit dem 6. Lebensjahr eine umfassende musikalische Ausbildung. Sie studierte Gesang an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler" in Berlin bei Renate Krahmer und absolvierte 1998 mit Auszeichnung ihr Konzertexamen. Sie hat sich durch Auftritte bei international renommierten Festivals mit Opernpartien sowie den Kantaten- und Oratorienwerken von Monteverdi bis Mendelssohn als eine vielversprechende Sängerin ihrer Generation profiliert. Seit 2004 ist sie auch als Pädagogin tätig und leitet unter anderem Gesangskurse an der UdK Berlin in der Abteilung für Alte Musik.
Die Altistin Lydia Vierlinger stammt aus Linz/Oberösterreich, begann ihre musikalische Ausbildung in Violine und Klavier, studierte zuerst ein Jahr in New York und dann an der Wiener Musikhochschule Sologesang und Gesangspädagogik. Seit 1999 unterrichtet sie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, 2004 erfolgte ihre Habilitation, 2008 die Ernennung zur Gesangsprofessorin. Lydia Vierlinger gab zahlreiche Liederabende. Im Oktober 2004 erschien ihre Solo-CD „Vedo il ciel" (Universal/Amadeo) - Händel-Arien aus den Oratorien „Messias", „La Resurrezione" und „Samson".
Die „Romantischen Duette", welche 2002 bei einem Konzert von Doerthe Maria Sandmann und Lydia Vierlinger im RadioKulturhaus vom ORF für eine gleichnamige CD mitgeschnitten wurde, führten sie nach Berlin, Prag, Belgrad, Sarajewo, zu den Festwochen Gmunden und ins Wiener Konzerthaus. 2006 konnte man sie damit u. a. in New York City hören, 2007 in Bayreuth, in Bozen und bei den Mahler-Festwochen in Toblach hören. Im Oktober 2005 erschien eine weitere gemeinsame CD der beiden Sängerinnen: „Boten der Liebe - Brahms Raritäten" (Universal) Akiko Yamashita wurde in Tokio geboren und erhielt ihre erste Ausbildung bei ihrem Großvater Takashi Yamashita, der als Komponist und Dirigent die klassische Musiktradition in Japan maßgeblich beeinflusst hat. Sie studierte an der Musahino Musikhochschule bei Jan Horák und an der Hochschule der Künste Berlin bei Georg Sava. Kurse führten Akiko Yamashita mit Aribert Reimann und Gyorgy Sebök zusammen. Zurzeit ist Akiko Yamashita als künstlerische Mitarbeiterin an der Universität der Künste Berlin tätig.
Karten zu den beiden Konzerten am Freitag und Samstag Abend sind zum Preis von 10€ (erm. 7,50€) an der Museumskasse des Robert-Schumann-Haus (0375 - 81 88 51 16) erhältlich.
Tagung
31 Musik- und Kulturwissenschaftler aus Deutschland, Österreich, Frankreich, den USA und Kanada kommen in Zwickau zusammen, um in der Geburtsstadt Robert Schumanns aus dessen spezifischen literarischen Eindrücken seit seinen Kinder- und Jugendjahren das spätere kompositorische Schaffen zu erklären. Es handelt sich um die 20. Wissenschaftliche Arbeitstagung zu Fragen der Schumann-Forschung, seit 1976 finden diese Tagungen in Zwickau statt. Ihre Dokumentation erfolgt in der Reihe der Schumann-Studien im Studio-Verlag Sinzig. Zum Jubiläumsjahr ist die Tagung so umfangreich wie nie zuvor. Sie wird veranstaltet von der Stadt Zwickau mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Ein erster Tagungsteil am Freitagvormittag ist den literarischen Einflüssen der Zwickauer Zeit gewidmet, am Freitagnachmittag geht es um literarische Werke Schumanns. Am Samstag wendet sich der Blick zu Schumanns musikalischen Werken, sowohl den Instrumental- als auch den Vokalkompositionen, außerdem stehen Beziehungen Schumanns zu einzelnen Dichtern im Blickpunkt. Im abschließenden Tagungsteil am Sonntagvormittag geht es schließlich um Klavierwerke Schumanns und allgemeinere Fragestellungen.
Unter den Referenten sind auch Literaturwissenschaftler wie Prof. Dr. Joseph A. Kruse und Prof. Dr. Bernd Kortländer (Düsseldorf), der Altphiloge Dr. Joachim Draheim und die Bibliothekswissenschaftlerin Dr. Felicitas Marwinski (Weimar).
Die weiteste Anreise quer über den Atlantik haben Prof. Dr. Jon W. Finson (Chapel Hill/US), Prof. Dr. John C. Tibbetts (Kansas/US), Prof. Dr. Rufus Hallmark (New Jersey/US), Dr. des. Sezi Seskir (Ithaca/US) und Prof. Dr. Harald Krebs (Victoria/Kanada). Jon W. Finson promovierte mit einer Arbeit über Schumanns Sinfonik. 1989 legte er ein wegweisendes Buch über Schumanns erste Symphonie vor, 2007 folgte ein Kompendium über sämtliche Lieder Schumanns. Rufus Hallmark widmete seine Doktorarbeit 1974 den im Robert-Schumann-Haus Zwickau befindlichen Skizzen zu Schumanns „Dichterliebe". Seitdem hat er sich vielfältig mit Schumanns auseinandergesetzt, u. a. in dem von ihm herausgegebenen englischsprachigen Standardwerk über „German Lieder in the 19th Century". Er ist auch als Sänger (Tenor) aktiv. John C Tibbetts ist Medienwissenschaftler und legte zum Schumann-Jahr 2006 eine 13-teilige Schumann-Serie vor, die im amerikanischen Rundfunk ausgestrahlt wurde und auch auf CD erschien. Sein Vortrag in Zwickau („Schumann on the screen") bietet einen Vorgeschmack auf das Zwickauer Schumann-Film-Festival Anfang August. Harald Krebs ist Musiktheoretiker und veröffentlichte 1999 ein für seinen imaginativen Stil preisgekröntes Buch über Schumanns Metrik. 2007 publizierte er mit seiner Frau Sharona ein Buch über die mit Schumann befreundete Komponistin Josephine Lang. Sezi Seskir stammt aus der Türkei und hat gerade ihr Promotionsstudium an der Ithaca University mit einer Arbeit über Aufführungspraxis in Schumanns Klaviermusik abgeschlossen. Eine weitere Nachwuchsforscherin kommt aus Frankreich: Sylvine Delannoy, die 2008 ihre Doktorarbeit über Schumann musikalische Märchen vorlegte und bei der Erstellung dieser Arbeit für mehrere Monate im Robert-Schumann-Haus zu einem Forschungsaufenthalt weilte. Die aus Japan stammende, inzwischen in Krefeld lebende Schumann-Spezialistin Dr. Kazuko Ozawa gehört zu den Stammgästen bei den Zwickauer Schumann-Tagungen. Auch drei Robert-Schumann-Preisträger der Stadt Zwickau sind unter den Referenten, Prof. Dr. Reinhard Kapp aus Wien (2007), Dr. Joachim Draheim (2003) und Dr. Gerd Nauhaus (1986).
Während der Tagung ist im Robert-Schumann-Haus eine Sonderausstellung zu sehen, die dem Buchverlag von Robert Schumanns Vater August gewidmet ist.