Antrittsrede Dr. Pia Findeiß

veröffentlicht am: 14.08.2008

Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,

sehr verehrte Gäste,



ich stehe heute am Beginn einer spannenden Zeit, die Wählerinnen und Wähler haben mir für sieben Jahre das Vertrauen gegeben, Oberbürgermeisterin der Stadt Zwickau zu sein und damit habe ich als Vorsitzende des Stadtrates, als Chefin der Stadtverwaltung und als Vertreterin der Stadt in unterschiedlichen Gremien die Chance, die Entwicklung meiner Heimatstadt maßgeblich mit zu beeinflussen. Darauf bin ich sehr stolz.



Viel hat sich im Antlitz unserer Stadt seit der gesellschaftlichen Wende 1989/90 verändert. Der politische Alltag unseres gesellschaftlichen Lebens, von einer Bevormundungsgesellschaft zu einer Demokratie, ist selbstverständlich geworden.


Jeder, der mit offenen Augen durch Zwickau geht und nicht die Probleme der Vergangenheit verdrängt hat, wird mit Veränderungen konfrontiert, die sicherlich in den meisten Fällen positiv zu bewerten sind. Dieser spezifischen Zwickauer Entwicklung haben meine Vorgänger Rainer Eichhorn und Dietmar Vettermann ihren Stempel aufgedrückt. Dafür spreche ich ihnen ausdrücklich Hochachtung und Anerkennung aus.



Das beginnt beim äußeren Stadtbild – besonders augenscheinlich am Zustand der meisten historischen Gebäude – setzt sich fort bei der Größenordnung des vorhandenen Straßensystems in und um Zwickau herum – beispielhaft nenne ich die B 93 einschließlich des innerstädtischen Tunnels – mit einer enormen Verbesserung des Wohnungsangebotes und der Wohnverhältnisse – und dies sowohl in den Plattenbauten als in Jugendstilhäusern – in dem mit einem auf allen Ebenen entwickelten Einkaufsnetz – von den Arcaden bis zum Glück Auf Center – bis zu einer Umweltsituation, die nichts mehr mit dem Begriff „Rußzwigge“ zu tun hat.



Der alte Industriestandort Zwickau von Kokereien, Textilbetrieben, Maschinenbau, Chemie- und Pharmazieindustrie bis hin zur Trabi-Produktion hat den Umbruch in einen modernen Industriestandort mit Betrieben wie Cray Valley, Automotiv, HQM-Sachsenring, Johnson Control, Gilette, FES, Gelenkwelle Mosel, VEM Thurm, viele andere und nicht zuletzt Volkswagen Sachsen geschafft.



Zwickau bietet ca. 44.870 Arbeitsplätze und davon ca. 15.250 im produzierenden Bereich. Eine vergleichende Betrachtung der Gehälter in Sachsen kam erst im vergangen Monat zum Ergebnis, dass in Zwickau am meisten verdient wird, durchschnittlich 30.930 EUR jährlich je Arbeitnehmer, das liegt immerhin 7.500 EUR über dem niedrigsten sächsischen Wert und 4.249 EUR über dem sächsischen Durchschnitt.



In unseren Mauern hat sich die Westsächsische Hochschule zu einer modernen Bildungs- und Forschungseinrichtung entwickelt.



Das Alltagsleben unserer Bürgerinnen und Bürger mit seinen sozialen, kulturellen und sportlichen Angeboten kann sich längst mit vielen Regionen Deutschlands messen.



Die Krankenhäuser in Zwickau entsprechen mondernsten Anforderungen. Alle Pflegeheime sind saniert oder neu gebaut. Endlich wurden auch für behinderte Menschen Rahmenbedingungen geschaffen, die eine gezielte Förderung und ein selbstgestaltbares Leben ermöglichen. Bedarfsgerechte Angebote an Kindertagesstätten, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen und spezifischen Erziehungshilfen sind zu Selbstverständlichkeiten geworden.



Die kulturellen und sportlichen Angebote konnten durch veränderte Organisationsformen und räumliche Bedingungen eine neue Qualität erreichen. Was wäre Zwickau ohne den Alten Gasometer, die Stadthalle, das August Horch Museum, das Johannisbad, die Priesterhäuser, die Freibäder, die neuen Sport- und Freizeitplätze und Sporthallen, das Robert-Schumann-Haus, die Kunstsammlungen, die Ratsschulbibliothek, das Theater, die Galerie am Domhof, das Robert-Schumann-Konservatorium und, und, und...? Was wäre Zwickau ohne seine liebenswerten und engagierten Menschen, ohne seine Vereine und Verbände? Die Menschen wollen und sollen, in der Zeit, die ihnen gegeben ist, richtig leben und sich nicht verkriechen. Das heißt: Verantwortung zu übernehmen und Liebe geben und sie annehmen und sich sozial engagieren. Etwas weitergeben von sich selbst – vielleicht Güte oder Weisheit. So hat es sinngemäß die Schriftstellerin Ingrid Noll zum Ausdruck gebracht. Unser Zwickau bietet für solche Lebenseinstellungen Räume und Chancen.



Nun darf ich diesen erfolgreichen Zwickauer Weg fortsetzen und meinen Stempel aufdrücken.


Meine Vita ist allgemein bekannt. Ich entstamme, was für eine echte Zwickauerin nicht untypisch ist, einer Bergarbeiterfamilie. Die 34 Jahre, die ich in der DDR verbracht habe, war ich nicht im Widerstand. Ich habe mein berufliches und privates Leben an humanistischen Werten ausgerichtet.


Ich bin bereit unter Beweis zu stellen, dass ich das Selbstbewusstsein, den Willen, die Kompetenz und die geistige und körperliche Fitness besitze, um den erfolgreichen Zwickauer Weg fortzusetzen.


Ich stehe für sach- und fachkundige Problemlösungen und vor allem zu vernünftigen. Uns bringen nur nachhaltige Entscheidungen im Interesse der Allgemeinheit voran. Aktionismus und Lobbyismus schaden dieser Stadt. Mir geht es nicht um Eigennutz, sondern um das Beste für diese Stadt. Versprechen werde ich das, was ich auch halten kann. Realitätssinn erlaubt und erfordert selbstverständlich auch Visionen. Kreativ ist aber nicht der, welcher seiner Phantasie freien Lauf lässt, sondern derjenige, dem es gelingt, Beschränkungen und Rahmenbedingungen in Steigerungsbedingungen zu verwandeln, so hat es Professor Norbert Bolz von der TU Berlin formuliert.


Kritik ist vor allem auch in der politischen Arbeit notwendig, sie sollte jedoch sachlich und wahrheitsgemäß sein. Den eigenen Anteil am Erfolg, aber auch am Misserfolg sollte ein Kommunalpolitiker realistisch einschätzen, sonst wird dies der Wähler tun.



Kommunale Demokratie heißt, dass die von der Bürgerschaft gewählten Stadträte und der Oberbürgermeister in Vertretung dieser Bürgerschaft die Geschicke der Stadt für eine bestimmte Zeit leiten und lenken. Ich habe den Eindruck, dass die Zwickauer zunehmend das Vertrauen in unsere kommunale Demokratie verlieren, was die Beteiligungen an den letzten Wahlen belegen.


Meine sehr verehrten Damen und Herren Stadträte, lassen sie uns gemeinsam das Vertrauen in die kommunale Demokratie mit Leidenschaft und Augenmaß in Verbindung mit Geduld und Verantwortungsethik zurückerobern und den erfolgreichen Zwickauer Weg fortsetzen.



Für diesen Weg sehe ich in den nächsten Jahren unter anderem folgende Schwertpunkte:



Die Stadtentwicklung muss wieder in das Zentrum politischer Entscheidungen rücken. Nur aus der Gesamtsicht (Grundsatzziel) der städtischen Entwicklung lassen sich für die Einzelbereiche – wie Wirtschaft, Verkehrsinfrastruktur, Bildung, Wohnen, Soziales, Kultur und Sport – spezifische Ziele ableiten. Das Grundsatzziel ist für mich: Ein starkes Zwickau in einem dynamischen Landkreis bzw. einer dynamischen Region!


D. h. Zwickau ist als Oberzentrum und Kreisstadt, als Wirtschaftsstandort, Kultur- und Bildungszentrum weiter auszugestalten und die guten Ausgangsbedingungen in der Stadt, im Landkreis und in der Region sind durch Vernetzungen und Kooperationen zu nutzen.



Die Schaffung von Arbeitsplätzen vor allem im produzierenden Gewerbe ‑ durch persönliche Einflussnahme auf die Gewinnung von potenten Investoren und auf den gezielten Abbau von bürokratischen Hemmnissen ‑ wird Chefsache sein, auch wenn der Stadtrat dieses Ressort einem Bürgermeister zugeordnet hat. Investorenbetreuung, Behörden- und Fördermittelmanagement und die Bestandspflege bestehender Unternehmen soll aus einem Guss sein. Die Strukturen, die dafür notwendig sind, müssen in Zwickau erst noch geschaffen werden.

Durch die hohe Verdichtung in unserer Region und die Verknappung von Flächen für Großansiedlungen ist die Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden des Landkreises unverzichtbar.




Wichtig für Zwickau, für Wirtschaftsansiedlungen und die Entlastung des innerstädtischen Verkehrs, ist die Realisierung des Straßentangentensystems um die Stadt herum mit den Verbindungen zwischen den beiden Bundesautobahnen.


Im innerstädtischen Bereich ist im Rahmen der Wirtschaftsförderung eine weitere direkte Anbindung an die B 93 im Zwickauer Norden notwendig.


Das Abhängen der Stadt vom überregionalen Bahnsystem muss gestoppt werden.


Die Sanierung innerstädtischer Straßen und des Fußwegenetzes muss ständige Aufgabe sein. Die ÖPNV-Ausgestaltung und der Ausbau des Radwegenetzes bekommen im Rahmen der steigenden Energiepreise eine besondere Bedeutung.




Die Kinder von heute sind die Fachkräfte von morgen. Dieser Slogan schließt ein, dass Bildung bereits in der Kindertagesstätte beginnt, welche über die Regelschulen, Berufsausbildung, Hochschulstudium bis hin zur Erwachsenenqualifizierung reicht. Qualitativ hochwertige Bildung ist ein wesentlicher Standortfaktor auch unter der Prämisse, dass wir bereits schon jetzt Fachkräftemangel haben. Wichtigste Aufgabe für die Stadt ist die Fortführung der notwendigen Schulgebäudesanierungen.



Die Angebote der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Zwickau sind durch Vernetzungen für die Bürgerinnen und Bürger transparenter und effektiver zu gestalten.


Das Schloss Osterstein wird nach seiner Fertigstellung eines der modernsten stationären Pflegeeinrichtungen in Europa, das Bewohnerzimmer der Zukunft wird in Zwickau sein.


Die engere Zusammenarbeit zwischen der Senioren- und Seniorenpflegeheim gGmbH und dem Heinrich-Braun-Klinikum und den Umlandkrankenhäusern soll im Interesse der Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaftlichkeit der Häuser realisiert werden.



Die Stadt Zwickau hat ein abwechslungsreiches Kultur- und Kunstangebot vorzuweisen. Hier kann man teils mit recht sagen: „Wir sind erstklassig!“




Eine Stadt vermarktet sich heute durch Gefühle. Dabei sind die kulturhistorische Identität (Dom, Kirchen, Priesterhäuser, Schloss Osterstein, Ratsschulbibliothek, Robert-Schumann-Haus und -Konservatorium, Johannisbad, Kornhaus, Jugendstilviertel u.v.a.), die mit Zwickau verbundenen Persönlichkeiten (neben Robert Schumann und August Horch eben auch Caroline Neuber, Max Pechstein, Gerd Fröbe, Heinrich Braun, Fabrikantenfamilien oder Martin Luther, Thomas Müntzer, Hermann Gocht, August Bebel u.a.) und Veranstaltungen (Robert-Schumann-Jahr 2010, Kultur- und Sporthöhepunkte, Wettbewerbe, freie Kulturaktivitäten, regelmäßige Veranstaltungshöhepunkte u. a.) zielgerichteter einzubeziehen.


Einen Ausbau des Angebotes in der Erweiterung der Kunstsammlungen um ein Max-Pechstein-Museum wird unsere Stadt aufwerten und die entsprechende Würdigung des Zwickauer Künstlers ermöglichen.


Die Verlagerung der Bibliothek in das Kornhaus ist bereits politischer Wille und soll nun umgesetzt werden.



Über 12.000 Bürgerinnen und Bürger sind in Vereinen sportlich aktiv. Das ist besonders für die Kinder- und Jugendarbeit, Gesundheitsförderung, die soziale Kommunikation und die Imagesteigerung unserer Stadt durch Spitzenleistungen erfreulich. Sportler brauchen aber auch Räume. Der Bau einer 50-m Schwimmhalle, die Sanierung des Stadions und der Ausbau einer Sporthalle für ca. 1.500 Zuschauer sollte bei entsprechenden Fördermittelvoraussetzungen und kommunalen Haushaltsmöglichkeiten in Angriff genommen werden.




In den meisten Gebieten können wir stolz auf unser Stadtbild sein. Einige Wohn-, Industrie- und Gewerbebrachen verschandeln jedoch den Gesamteindruck. Untätigkeit in diesem Bereich dürfen wir nicht akzeptieren. Hier sollten wir gemeinsam aufräumen und Ordnung schaffen.




Mit dem Verlust der Kreisfreiheit werden Ende dieses Jahres ca. 250 Mitarbeiter in die Kreisverwaltung wechseln. Die Stadtverwaltung muss neu strukturiert werden. Fachkompetenz, Bürgerfreundlichkeit und Effizienz sollen dabei im Vordergrund stehen. Die Stadt ist wieder Kreissitz und damit Verwaltungszentrum auch für den Landkreis.


Die Stadtverwaltung wird mit der Sanierung des Rathauses und angrenzender Gebäude in das Stadtzentrum ziehen. Das ist ein wichtiger Faktor im Rahmen der Innenstadtbelebung.


Verwaltungen sind Anlaufstellen für Bürgerinnen und Bürger. Die Rahmenbedingungen – ÖPNV-Anbindungen, behindertengerechte Zugänge, Parkplätze – sind in deren Interesse zu gestalten.



Wenn es uns gemeinsam gelingt, Zwickau noch lebens- und liebenswerter und attraktiver zu gestalten, werden die Menschen hier bleiben.



Meine sehr verehrten Damen und Herren Stadträte, liebe Bürgerinnen und Bürger, sehr verehrte Damen und Herren lassen sie uns gemeinsam mit Herz und Verstand die Zukunft unserer Stadt Zwickau gestalten!



In diesem Sinne ein herzliches Glück Auf!

  • Presse- und Ober-bürgermeisterbüro

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